Dynamische Areallimitierung und Reaktion auf Klimaänderung: Metapopulationsprozesse in Vorpostenarealen der Schwarzen Binse
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Wir untersuchten Populationsökologie und Demografie, Populationsgenetik und Blütenbiologie der seltenen und gefährdeten Stromtalart Juncus atratus in Mitteleuropa und die zu erwartende Dynamik ihrer Populationen unter Klima- und Landnutzungswandel. Die Juncus-Pflanzen sind an sich sehr langlebig, aber konkurrenzempfindlich, und produzieren große Mengen ebenfalls langlebiger Samen, aber nur bei ausreichender Nässe im Frühjahr. Die beobachtete Bindung der Art an sommertrockene Stromtäler in Mitteleuropa ist auf indirekte Förderung über einen Konkurrenzmechanismus zurückzuführen. Störungen (Zerstörung der Grasnarbe, lang dauernde Überflutung) fördern die Keimlingsetablierung direkt oder ebenfalls indirekt über Konkurrenz und Begünstigung. Indirekt fördernde Effekte von Störung (über verminderte Konkurrenz) waren prinzipiell zu erwarten, wurden aber bisher nicht häufig nachgewiesen, besonders nicht im Stromtal. Die Begünstigung der Keimlingsetablierung durch umgebende Vegetation bei lang dauernder Überflutung war überraschend, passt aber gut zu neueren Ergebnissen zu Begünstigung unter extremen Umweltbedingungen in anderen Lebensräumen. Fernausbreitung ist theoretisch hydro-, zoo- und anemochor möglich, spielt aber real offenbar keine Rolle. Hydrochore Fernausbreitung reduziert ferner den Etablierungserfolg um 50 % oder mehr. Solche Daten zu Kosten von Fernausbreitung waren bisher ebenfalls nur selten verfügbar. Wir entwickelten molekulare Marker, um die genetische Vielfalt von J. atratus zu quantifizieren. Es zeigte sich, dass eine hohe genetische Variabilität vorhanden ist und nur geringe Anzeichen für genetische Flaschenhalseffekte. Dagegen existiert kein aktueller Gen-Austausch zwischen den räumlich isolierten Populationen in Deutschland. Trotz Windbestäubung und prinzipiell über große Entfernungen ausbreitbarer Samen kann die Art die Distanzen zwischen den Populationen offenbar nicht überwinden. Analysen der Bestäubungsbiologie ergaben, dass weitgehende Selbstbestäubung vorliegt. Diese führte aber entgegen aller Erwartung nicht zu verringerten Heterozygotie-Werten. Dieses Ergebnis war nur durch eine extrem hohe Inzucht-Depression zu erklären, die dazu führt, dass ausschließlich diejenigen Samen, die ausgekreuzt sind und/oder hohe Heterozygotie-Werte aufweisen, sich etablieren und reproduzieren. Das Ergebnis war überraschend, vor allem für eine ausdauernde krautige Art, und wirft Fragen nach den zugrunde liegenden Mechanismen auf. Analysen des zeitlichen Blühverhaltens von mehreren Binsen-Arten zeigten das nur von Binsen bekannte wiederholte pulsartige Blühen, das auf Populationsebene stark synchronisiert ist, so dass alle Pflanzen einer Population gemeinsam ihre Blüten für wenige Stunden öffnen. Mechanistische Ursachen konnten nicht identifiziert werden. Allerdings führt ein solches Blühverhalten zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Genaustausches zwischen Pflanzen. Somit ist ein ursächlicher Zusammenhang mit der oben festgestellten Bedeutung von Auskreuzungs-Ereignissen hoch plausibel. Mithilfe räumlich-expliziter Simulationsmodelle wurde im Rahmen des Projektes anhand der Untersuchungsart ein verbessertes Verständnis der raum-zeitlichen Dynamik von Pflanzenarten in fragmentierten Landschaften unter dem Einfluss veränderlicher Umweltbedingungen erreicht. Es zeigte sich, dass neben lokalen Habitatstörungen vor allem lokale Persistenzmechanismen, wie Samendormanz, und die regionale Ausbreitungsfähigkeit von entscheidender Bedeutung für das Überleben ist. J. atratus zeigte sich in den Simulationen im Vergleich zu anderen mehrjährigen krautigen Arten als erstaunlich widerstandsfähig gegenüber Klimawandel. Die Art reagierte aber, ebenso wie die Vergleichsarten, sensitiv gegenüber einer Zunahme lokal destruktiver Störungsereignisse. Auch eine Zunahme der Landschaftsfragmentierung konnte J. atratus aufgrund der hohen Überlebensfähigkeit lokaler Populationen gut abpuffern. Arten mit stärker ruderalen Eigenschaften waren von einer Zunahme der Landschaftsfragmentierung intensiver betroffen. Modelluntersuchungen zeigten auch, dass eine Korrelation von Klima- und Landschaftswandel das regionale Aussterberisiko von Arten deutlich erhöhen kann. Umgekehrt konnte aber auch gezeigt werden, dass ein gezieltes Management lokaler Habitate die negativen Effekte des Klimawandels für J. atratus und andere Arten deutlich verringern oder gar ausgleichen kann.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2006) Isolation and characterization of microsatellite loci in the rush Juncus atratus (Juncaceae). Conservation Genetics, 7, 149- 151
Michalski SG, Gautschi B, Burkart M, Durka W
- (2007) High selfing and high inbreeding depression in peripheral populations of Juncus atratus. Molecular Ecology, 16, 4715-4727
Michalski SG, Durka W
- (2007) Synchronous pulsed flowering - analysis of the flowering phenology in Juncus (Juncaceae). Annals of Botany, 100,1271-1285
Michalski SG, Durka W
- (2008) Detecting general plant functional type responses in fragmented landscapes using spatially-explicit simulations. Ecological Modelling 210(3); 287-300
Körner K, Jeltsch F
- (2008) Space matters - Novel developments in plant ecology through spatial modelling. Perspectives in Plant Ecology, Evolution and Systematics
Moloney K, Jeltsch F
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1016/j.ppees.2007.12.002) - (2008) The state of plant population modelling in light of environmental change. Perspectives in Plant Ecology, Evolution and Systematics
Jeltsch F, Moloney K, Schurr F, Köchy M, Schwager M
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.ppees.2007.11.004) - Reproduktionsbiologie und Populationsgenetik der Schwarzen Binse (Juncus atratus KROCK.). Universität Halle, 2007
Michalski, SG
- Recruitment requirements of the rare and threatened Juncus atratus. Flora
Burkart M, Alsieben K, Lachmuth S, Schumacher J, Hofmann R, Jeltsch F, Schurr FM
- Simulating direct and indirect effects of climatic changes on rare perennial plant species in fragmented landscapes. Journal of Vegetation Science
Körner K, Treydte A, Burkart M, Jeltsch F