Gefügeeinflüsse bei der Mikroblechumformung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Arbeit hatte zum Ziel Größeneinflüsse, die auf der Wechselwirkung zwischen Gefüge und Probengeometrie beruhen, mit lokalen Methoden quantitativ zu charakterisieren. Die Messungen sollten so aufbereitet werden, dass sie von kontinuumsmechanischen Modellen und Rechenprogrammen benutzt werden können. Eine Herausforderung liegt darin, die große Anzahl an Messungen, wie Korngrößen, Orientierungen und lokalen Verformungen so aufzuarbeiten, dass sie direkt von theoretischen Gruppen benutzt werden können. In der Arbeit wurden hierzu mehrere Methoden entwickelt. Zum einem wurden Modellproben hergestellt und für Zug- Biege-, und Tiefziehversuche so dimensioniert, dass die Korngröße in mindestens einer Dimension (z.B. dünnes Blech) groß gegen andere Geometriegrößen ist. Diese Proben wurden bzgl. Korngröße und lokaler Orientierung vermessen und so vernetzt, dass die Vernetzung direkt in einem FE (Finite Elemente) Programm verwendet werden kann. Die charakterisierten Proben wurden dann mit inkrementell zunehmender Last verformt und wiederum nach jedem Lastschritt bezgl. der Änderung der Korngröße und der Orientierung vermessen und neu vernetzt. Damit steht erstmalig ein vollständig charakterisierter Datensatz für den Vergleich mit mikrostrukturellen Modellen zur Verfügung. Eine Herausforderung ist dabei die Messung der lokalen plastischen Verformung. In der Arbeit wurden hierzu die Methode der sogenannte Orientierungsgradientenkarten (OGM – orientation gradient mapping) entwickelt. In der Mechanik werden Inkompatibilitäten durch geometrisch notwendige Versetzungen (GND’s) beschrieben, diese führen wiederum zu lokalen Gitterdrehungen, die im Rasterelektronenmikroskop mit der Methode der Elektronenrückstreuung (EBSD – electron backscattering diffraction) gemessen werden können. In der elastisch-plastischen Kontinuumsmechanik ist es möglich, diese lokalen Drehungen aus der lokalen plastischen Verformung zu berechnen. Damit hat man erstmalig die Möglichkeit, kontinuumsmechanische Modellrechnungen lokal und nicht nur über relativ materialunspezifische Spannungs- Dehnungskurven mit den Messungen zu vergleichen. Neben dem direkten Vergleich von Messung und Modell wurde versucht, mit Hilfe statistischer Methoden Vorhersagen über den Einfluss der Korngröße im Verhältnis zur Probengröße auf die Spannungs - Dehnungskurven zu erhalten. Messungen und statistische Vorhersage mit einem weak link – Modell zeigen, dass ab etwa tausend Körner pro Querschnitt Geometrieeinflüsse bemerkbar sind. In Zusammenarbeit mit anderen Gruppen am SPP wurden die Messungen und Modelle dazu benutzt, den Einfluss der Korngröße auf das Tiefziehen kleiner Näpfe zu beschreiben. Ferner wurde aus den Messungen mit Hilfe inverser Methoden die notwendigen Parameter für ein konstitutives Modell bestimmt, mit dem dann die Gefügeabhängigkeit der Oberflächenrauhigkeit berechnet und mit unabhängigen Messungen verglichen werden kann. Aus dem Projekt entstanden zwei weitere vom SPP unabhängige Doktorarbeiten, zum einem in Zusammenarbeit mit einer französischen Gruppe (Prof. Berveiller) eine Arbeit zur Messung und Berechnung lokaler Gitterdrehungen mit Hilfe diskreter Versetzungsmodelle und eine Zusammenarbeit mit einer Theoriegruppe aus Dortmund (Prof. Svendson), die unsere Messungen direkt in ihren Modellen verwendeten. Diese Zusammenarbeit soll weitergeführt werden, hierzu sollen sowohl Rechnungen als auch Messungen an anderen Kristallstrukturen und bei mehrachsigen Verformungen durchgeführt werden. Wegen des großen Erfolgs der Verbindung verbesserter Simulationsmethoden mit lokalen gefügeabhängigen Messungen soll versucht werden, diese Methode auch auf die Schädigungsmechanik zu erweitern. Hiermit eröffnet sich erstmalig die Möglichkeit, die Mikrostruktur und damit den Werkstoff in Modellrechnungen zur Lebensdauer zu integrieren und Gefügeoptimierungen auf theoretischer Grundlage durchzuführen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Größeneffekte im Zugversuch aufgrund plastischer Anisotropie. In: Frank Vollertsen, editor, Prozessskalierung, Strahltechnik, volume 27, pages 137–146. BIAS-Verlag, 2005. ISBN 3-933762-17-0
Mark Henning and Horst Vehoff
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Local mechanical behavior and slip band formation within grains of thin sheets. Acta Mater., 53(5):1285–1292, March 2005
Mark Henning and Horst Vehoff
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Finite element calculation of surface evolution considering grain size and crystallographic texture effects. In: Azushima, A (Hrsg): Proceedings of the 3rd International Conference on Tribology in Manufacturing Processes, Yokohama (Japan), Sept. 24-26, 2007 – ISBN 978-3-933762-22-1. S. 631-638
Groche, P.; Schäfer, R.; Henning, M.
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Measuring the Plastic Zone Size by Orientation Gradient Mapping (OGM) and Electron Channeling Contrast Imaging (ECCI). Advanced Engineering Materials, 9(1-2): 31–37, 2007
Markus T. Welsch, Mark Henning, Michael Marx, and Horst Vehoff
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Statistical size effects based on grain size and texture in thin sheets. Mat. Sci. and Eng. A, 602-613, 2007
Mark Henning, Horst Vehoff
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Größeneffekte auf die mechanischen Eigenschaften – Experiment und Simulation. Saarbrücker Reihe, Materialwissenschaften und Werkstofftechnik, Bd. 10, 2008, ISBN 978-3-8322-6894-7
M. Henning
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Application od homogenization methods and crystal plasticity to the modeling of heteregeneous materials of technological interest. Dortmund 2010, ISBN 978-3-921823-53-8
B. Klusemann
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Role of discrete intragranular slip on lattice rotations in polycrystalline Ni: Experimental and micromechanical studies. Acta Mat. 58, 4639-4649, 2010
Camille Perrin, Stephane Berbenni, Horst Vehoff, Marcel Berveiller
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Size effects resulting from local strain hardening; microstructural evaluation of Fe-3 % Si and Cu deformed in tension and deep drawing using orientation gradient mapping (OGM). Int. J. Mat. Res. 101,6, 715-728, 2010
Mark Henning, Horst Vehoff