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Gerichte als 'governors' im Binnenmarkt? Die Interaktion zwischen judizieller Kontrolle und Kompetenz
Antragstellerin
Professorin Dr. Susanne K. Schmidt
Fachliche Zuordnung
Politikwissenschaft
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 532657320
Mitgliedstaatliche Regierungen üben erhebliche Kontrolle über die Delegation von Kompetenzen an die Europäische Union (EU) aus. Zudem ist die EU für die Implementierung ihrer Politik auf die mitgliedstaatlichen Verwaltungen angewiesen. Dies gibt Mitgliedstaaten (MS) weiteren Spielraum in der Interpretation und Verwirklichung von EU Kompetenzen. Allerdings können MS ihre europarechtlichen Verpflichtungen nicht einfach ignorieren. Über Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) oder über nationale Gerichte und evtl. Vorabentscheidungsverfahren können Akteure die Einhaltung der europarechtlichen Verpflichtungen einklagen. Das Projekt untersucht diese gerichtliche Kontrolle der mitgliedstaatlichen Umsetzung von EU-Recht am Beispiel verschiedener Binnenmarkt-Politiken. Es fragt, wann Akteure diese gerichtliche Kontrolle aktivieren und welchen Unterschied dies in Bezug auf die Implementierung und Durchsetzung von EU-Recht, aber auch für die Ausgestaltung dieser EU-rechtlichen Verpflichtungen selbst macht. Fallrecht, das durch Urteile entsteht, spezifiziert bestehendes Recht und verändert es auch. Die Kontrolle wirkt so auf die Gestaltung von Kompetenz zurück. Dies gilt besonders immer dann, wenn im Legislativprozess Formelkompromisse nur scheinbar Konflikte gelöst haben. De facto wird deren Klärung dann an Gerichte delegiert, die im Streitfall eine Interpretation finden müssen. Eine ähnliche Situation entsteht, wenn Gesetze trotz veränderter Bedingungen nicht reformiert werden, sondern ihre Anpassung implizit Verwaltungen und Gerichten überantwortet wird. Die von der Forschungsgruppe untersuchte Entwicklung hin zu einer von Kontrolle geprägten Integration analysiert dieses Teilprojekt in Bezug auf die Wechselwirkung gerichtlicher Kontrolle und der Definition von Kompetenz. Die Kontrolle der MS über die Kompetenzübertragung verlagert sich hin zu einer gerichtlichen Ausgestaltung dieser Zuständigkeiten, die von den Mitgliedstaaten kaum kontrollierbar ist Gemeinsam mit zwei Promovierenden wird diese Verschiebung in drei Schritten untersucht: (1) Wann wird die gerichtliche Kontrolle von potentiellen Klageberechtigten (Europäische Kommission, öffentliche und private Akteure) aktiviert? (2) Welchen Unterschied macht die gerichtliche Kontrolle für die Art, wie die MS als intermediaries für den EU governor EU Kompetenz implementieren? (3) Wann führt das sich entwickelnde Fallrecht zu Änderungen der EU-Kompetenz, so dass eher gerichtliche als politische Akteure die Regeln definieren? Das Projekt analysiert die Interaktion von gerichtlicher Kontrolle und Kompetenzentwicklung auf der Basis von Fallstudien zu drei Politiken (Sozialversicherungskoordinierung, Bahnpolitik und Dienstleistungsrichtlinie) in Deutschland und Frankreich sowie ausgewählter weiterer MS. Das zunächst qualitative Projekt mit teils explorativer Zielsetzung wird von der engen Interaktion mit dem Europarecht sowie der Methodenpluralität in der FOR sehr profitieren.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen