Detailseite
Fette Beute. Eine Sozialgeschichte des Wals in Flandern, den Niederlanden und Norddeutschland (ca. 1300-1600)
Antragstellerin
Dr. Marie Jaros
Fachliche Zuordnung
Mittelalterliche Geschichte
Frühneuzeitliche Geschichte
Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 525252809
Wale dienten als Projektionsflächen für Moralisierung und Mystifizierung oder als jagbare Ressourcen. Daher wurden sie in der Mediävistik und Frühneuzeitforschung vor allem in diesen Kontexten untersucht. Kaum berücksichtigt wurden bisher die kulturellen und sozialen Auswirkungen des unintendierten Aufeinandertreffens von Mensch und Wal im Fall von Strandungen. Hier geschah etwas Außergewöhnliches und Zufälliges jenseits der göttlichen Ordnung, das eben darum auf die Zeitzeugen großen Eindruck machte. Die ihrem Element entrissenen Wale erzwangen eine Reaktion, sei es in Form der Entnahme von Tran und Fleisch, als Ansatzpunkt für religiöse und politische Inanspruchnahme, als Auslöser von Konflikten oder schlicht als Entsorgungsproblem. An diesem Punkt setzt meine Habilitationsschrift an, die im Rahmen des Projekts maßgeblich vorangebracht werden soll. Darin frage ich nach Praktiken des Erlebens, Deutens und Nutzbarmachens gestrandeter Wale zwischen ca. 1300 und 1600. Dabei werden sich wandelnde Denkmuster, Repräsentationsbedürfnisse, politische Konstellationen und Kommunikationswege problematisiert sowie Wandlungen und Persistenzen von Praktiken und Wissensbeständen über die klassischen Epochengrenzen hinweg nachgezeichnet. Als Untersuchungsraum dienen die Nord- und Ostseeküsten Flanderns, Hollands und des Heiligen Römischen Reiches, weil dort im Untersuchungszeitraum noch kein kommerzieller Walfang stattfand. Die Ausgangsbasis bildet eine Datenbank von Walstrandungsereignissen, die durch systematische Auswertung eines heterogenen Quellenspektrums sukzessive erweitert wird. Die Strandungsdichte an den o. g. Küsten war unterschiedlich hoch, was den Umgang mit den Walen beeinflusste, sodass sich mancherorts nahezu routinierte Muster ausbildeten, wohingegen der angespülte Wal andernorts ein Jahrhundertereignis blieb. Es ist ein substanzielles Anliegen der Studie, die bisher überwiegend nebeneinander forschenden Disziplinen (z. B. Kunst-, Rechts-, Sozial-, Wirtschafts-, Kultur-, Wissens- und Umweltgeschichte, Zooarchäologie, Meeresbiologie) miteinander zu verflechten. Die Forschungslage kann durch die von mir durchzuführenden historisch-quellenkritischen Untersuchungen grundlegend erweitert werden. Neben den Arbeiten an der Monographie sollen zwei Aufsätze zu flankierenden Themenaspekten in Fachzeitschriften und ein Blogbeitrag publiziert werden. Darüber hinaus ist die Durchführung eines internationalen und interdisziplinären Workshops geplant. Im Rahmen des Projektes möchte ich mich durch die Etablierung eines neuen Forschungsfeldes, die Anbindung an einen neuen Forschungsstandort und die damit verbundene Steigerung meiner Sichtbarkeit in maßgeblicher Weise wissenschaftlich weiterqualifizieren. Der Standort Berlin bietet hierfür aufgrund der Forschungsinteressen und Persönlichkeit der aufnehmenden Wissenschaftlerin, des Zugangs zur internationalen Forschungsgemeinschaft sowie bestens ausgestatteten Bibliotheken optimale Bedingungen.
DFG-Verfahren
WBP Stelle