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Zahnfunktion und Nahrungsanpassung bei schlieferartigen Säugetieren
Antragsteller
Professor Dr. Thomas Martin
Fachliche Zuordnung
Geologie
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 523494435
Schliefer sind eine Säugetiergruppe afrikanischen Ursprungs (Afrotheria), die in paläogenen und neogenen Ökosystemen Afrikas und Eurasiens eine wichtige Rolle gespielt haben. Heute sind sie auf wenige Arten fels- und baumbewohnender kaninchengroßer Vertreter in Afrika und dem Vorderen Orient reduziert. Im Paläogen und älteren Neogen erreichten sie Nashorngröße und waren in Nordafrika und angrenzenden Regionen die dominierenden Pflanzenfresser. Die Riesenformen haben in den nordafrikanischen Faunengemeinschaften (z. B. Oase Fayum) die Rolle der Megaherbivoren eingenommen, die während des Neogens sukzessive von den Huftieren übernommen wurde. Damit einher ging ein Niedergang der Schliefer hinsichtlich Körpergröße und Biodiversität. Die Schliefer sind in einer weiteren Hinsicht besonders interessant, denn sie haben unabhängig von den Huftieren (Ungulata) Bezahnungen entwickelt, die denen von Nashörnern und Pferdeartigen mit niederkroniger Bezahnung frappierend ähnlich sind. Die oberen Backenzähne der Schliefer sind wie die von Nashörnern durch eine ausgeprägte W-förmige äußere Scheidekante (Ectoloph) gekennzeichnet. Anders als bei den Nashörnern wurde diese Schneidekante aber offensichtlich bei der Nahrungsaufnahme eingesetzt, indem sie zum Abschneiden von Pflanzenmaterial diente, das dann seitlich aufgenommen wurde. Bei Nashörnern und anderen Huftieren erfolgt die Nahrungsaufnahme über das Vordergebiss. Hier zeichnet sich ein wichtiger Funktionsunterschied ab, der möglicherweise zum späteren Niedergang und der Ablösung der Schliefer durch die Ungulaten beigetragen hat. Während die Zahnfunktion von Huftieren von verschiedenen Arbeitsgruppen sehr intensiv untersucht worden ist, gilt dies für die Schlieferartigen bisher nicht. Das beantragte Projekt zielt darauf, diese große Wissenslücke zu schließen und einen grundlegenden Beitrag zur Paläoökologie paläogener und neogener Schliefer in ihren Faunengemeinschaften zu leisten. Innerhalb der FOR771 haben wir ein Simulationsprogramm entwickelt, um den Kauvorgang fossiler Säugetiere virtuell zu rekonstruieren und die Effizienz der Gebisse quantitativ zu untersuchen. Dieser Occlusal Fingerprint Analyzer (OFA) soll in dem Projekt auf die Bezahnungen von Schliefern angewendet werden, um deren Zahnfunktion im Detail zu untersuchen. Ziel ist ein Verständnis des Kauvorganges und ein Erfassen seiner Effizienz über eine Quantifizierung der beim Kauschlag aktiven Kontaktareale der Kaufläche. Die gewonnenen Ergebnisse sollen anschließend mit der Funktion von Nashornbezahnungen verglichen werden, um Hinweise auf Unterschiede in der Effizienz zu bekommen. Wir erwarten von dem Projekt grundlegend neue Erkenntnisse zur Evolution der Funktionsweise von Säugetiergebissen, der Nahrungswahl von Schliefern, ihrer paläoökologischen Rolle in den Säuger-Gemeinschaften, sowie zur Abnahme ihrer Diversität und ihrer Ablösung durch die Huftiere im Laufe des Neogens.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen