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Bildungskarrieren und adoleszenten Ablösungsprozesse bei männlichen Jugendlichen aus türkischen Migrantenfamilien

Antragstellerin Professorin Dr. Vera King
Fachliche Zuordnung Bildungssysteme und Bildungsinstitutionen
Förderung Förderung von 2007 bis 2012
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 52220631
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Untersucht wurden die Wechselbeziehungen zwischen Bildungsverläufen und adoleszenten Entwicklungen junger Männer aus türkischen Migrantenfamilien, im Besonderen zwischen Bildungserfolgen und biographischen Erfahrungen in familialen Generationenbeziehungen. Im Einzelnen ging es darum, wie Mechanismen der intergenerationalen Transmission von Bildungschancen unter Migrationsbedingungen theoretisch gefasst und empirisch rekonstruiert werden können und welche Bedeutung den adoleszenten Ablösungsprozessen im Spannungsfeld von biographischer Transformation oder Reproduktion des elterlichen Status zukommt. Weiterhin wurde geprüft, welche Rolle dabei die Bildungsaspirationen der Eltern spielen und wie diese im Zuge der adoleszenten Entwicklung seitens der Heranwachsenden adaptiert oder umgewandelt werden. Hinsichtlich der intergenerationalen Transmission von Bildungschancen konnten folgende Schlüsse gezogen werden: Anderen Studien entsprechend wurden auch hier vielfach hohe Bildungsaspirationen deutlich, die eine bedeutsame Strategie von Migrantenfamilien darstellen, um die Statusposition in der Folgegeneration zu verbessern zu versuchen. Zugleich jedoch zeigte sich, dass das Konzept der Bildungsaspiration im Kontext von Migration differenziert werden muss. Quer zur üblichen Unterscheidung zwischen ‚idealistischen‘ und ‚realistischen‘ Bildungsaspirationen erwies sich eine andere Differenzierung als entscheidend: nämlich zwischen a) ‚Bildungsaufträgen‘ oder ‚Delegationen‘, d.h. jenen Erwartungen an den Bildungsweg des Kindes, bei denen die eigenen Wünsche, Nöte und Interessen der Eltern explizit oder implizit im Mittelpunkt stehen, sowie b) ‚individuationsorientierten Bildungszielen‘, die weniger stark aus den Eigeninteressen der Eltern heraus motiviert sind und daher zulassen, dass der Sohn eigene Wege gehen kann. Während letztere sich positiv auswirken können, sofern sie Abgrenzung und eigene Wege der Kinder ermöglichen, wirken sich Aufträge potentiell zweischneidig aus, wenn der Bildungserfolg im Dienste der Interessen der Eltern und nicht als eigenmotiviert erfahren wird, somit im Widerspruch zu Ablösungsbestrebungen steht. Als Grund für Delegationen zeichnete sich ab, dass hohe Bildungserwartungen der Eltern häufig mit enttäuschenden Migrations- und Ausgrenzungserfahrungen verknüpft sind, bei einigen kommt das Migrationsmotiv eines angestrebten, jedoch selbst nicht realisierten Aufstiegs hinzu. Bildungserfolg der Kinder bekommt so kompensatorische Funktion und erlangt – migrations- und ausgrenzungstypisch – Delegationscharakter. Die anfänglich leitende Annahme, dass sich Delegationen generell ungünstig auswirken, weil dabei eigene Interessen der Eltern dominieren, musste im Laufe des Projekts modifiziert werden. Zwar erzeugt die migrationstypische Konstellation, die aus den Anforderungen der Trennung von der Herkunft, aber auch aus (bei türkischen Migrantenfamilien vielfach zugespitzten) Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen resultiert, explizit oder implizit bedrängende Momente in der Eltern-Kind-Beziehung. Dies kann – neben anderen Bestimmungsgründen – in intergenerationaler Perspektive erklären, warum es häufig nicht gelingt, hohe Aspirationen auch umzusetzen und weshalb es aus dieser Sicht in den adoleszenten Entwicklungen junger Männer zu Phasen der (Bildungs-)Verweigerung gegenüber den instrumentellen elterlichen Anmutungen kommen kann. Zugleich jedoch müssen Effekte der Delegation von Aufstiegs- und Bildungserfolg als mit anderen Aspekten der Generationendynamik vermittelt erachtet werden. Sie können verstärkt werden durch Abgrenzung tabuierende Konstellationen. Sie können aber auch ausgeglichen werden durch überwiegend konstruktive Anerkennungsbeziehungen, die eine adoleszente Ablösung zulassen und damit die Anverwandlungen von Delegationen ermöglichen. Schließlich wurde herausgearbeitet, welche Bedeutung den Diskrimierungserfahrungen und den unterschiedlichen Formen des Umgangs mit Benachteiligung und Ausgrenzung in diesem Zusammenhang zukommt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2009). 
Bildungsaufstieg
 als
 Migrationsprojekt.
 Fallstudie
 aus
 einem
 Forschungsprojekt
 zu
 Bildungskarrieren
 und
 adoleszenten 
Ablösungsprozessen
 bei
 männlichen 
Jugendlichen
 aus 
türkischen 
Migrantenfamilien.
 In:
 King,
 V./
 Koller,
 H.‐C.
 (Hg.):
 Adoleszenz
 –
 Migration
 –
 Bildung.
 Bildungsprozesse
 Jugendlicher 
und
 junger 
Erwachsener
 mit
 Migrationshintergrund.
 2.,
 erweiterte
 Aufl. 
Wiesbaden, 
S. 
67‐84

    Zölch, 
J./ 
King,
 V./ 
Koller, 
H.‐C./
 Carnicer,
 J./ 
Subov, 
E.

  • (2010). Educational
 Development
 and 
Detachment 
Processes
 of
 Male
 Adolescents 
from 
Immigrant 
Families.
 In:
 Journal
 of 
Identity
 and 
Migration
 Studies,
 Vol. 
4,
 Nr. 
2,
 S.
 44‐60
    Koller,
 H.‐C./
 Carnicer,
 J./
 King, 
V./
 Subov,
 E./ 
Zölch, 
J.
  • (2011).
 Bildungserfolg 
und
 adoleszente
 Ablösung 
bei
 Söhnen 
aus 
türkischen 
Migrantenfamilien.
 Eine 
Untersuchung
 aus 
intergenerationaler 
Perspektive. 
In:
 Zeitschrift für
 Erziehungswissenschaft, 
Band 
14, 
Heft
 4, 
S. 
581‐601

    King, 
V./
 Koller, 
H.‐C.
/
 Zölch, 
J./
 Carnicer, 
J.
 
 

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