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Kollektive Dynamik gleitender fädiger Cyanobakterien

Fachliche Zuordnung Statistische Physik, Nichtlineare Dynamik, Komplexe Systeme, Weiche und fluide Materie, Biologische Physik
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 519479626
 
Fädige Cyanobakterien sind phototrophe prokaryotische Lebensformen, deren lange und flexible Individuen aus vielen linear verketteten Zellen bestehen. Viele Arten zeigen bidirektionale aktive Gleitbewegungen, d.h. sie bewegen sich bei Kontakt mit Oberflächen oder Artgenossen entlang ihrer Kontur fort. Filamente aggregieren und bilden eine Vielzahl großskaliger Strukturen, was wahrscheinlich für die Anpassung an unterschiedliche Umweltbedingungen und damit für ihren evolutionären Erfolg von zentraler Bedeutung ist. Konzeptionell betrachtet stellen gleitende fadenförmige Cyanobakterien eine experimentelle Umsetzung aktiver Polymere dar - lang, dünn, flexibel und selbstbeweglich. Da sie auf Licht reagieren, können ihre Motilität und Selbstorganisation zudem von außen gesteuert werden, was sie von anderen Systemen der aktiven Materie deutlich unterscheidet. In diesem Projekt wollen wir ihre Selbstorganisation mit einem kombinierten experimentellen und theoretischen Ansatz verstehen. Wir werden die physikalischen Eigenschaften verschiedener Arten fädiger Cyanobakterien charakterisieren, wie z. B. ihre Gleitgeschwindigkeit oder ihre Biegesteifigkeit, und ihr Verhalten bei der Umkehrung der Gleitrichtung quantifizieren, letzteres sowohl spontan als auch als Reaktion auf externe Reize. Wir werden bestimmen, wie diese Eigenschaften von den Kulturbedingungen abhängen und durch diese beeinflusst werden können. Durch die Analyse ihrer Reaktion auf mechanische Kollisionen oder Änderungen in den Lichtverhältnissen und der entsprechenden räumlich-zeitlichen Entwicklung der Antriebskraftverteilungen werden wir Einblicke in die Koordination der Motilität zwischen den Zellen in einem Filament erhalten. Ausgestattet mit einer quantitativen Beschreibung einzelner Filamente werden wir die Entwicklung und Dynamik von Mustern untersuchen, die sich in dichten Monolagen von Filamenten bilden. Mit Hilfe eines speziell zugeschnitten Ansatzes maschinellen Lernens werden einzelne Filamente in Mikroskopie-Bilddaten erkannt und verfolgt. Die entsprechenden Muster werden in Simulationen mit einem aktiven Polymermodell in zwei Dimensionen nachgebildet. Der Vergleich zwischen Experiment und Simulation, hinab bis zur Stufe des Individuums, wird es uns ermöglichen ein nahezu quantitatives Modell für den Selbstorganisationsmechanismus zu erstellen. Wir werden die polare und nematische Ordnung der Muster bestimmen und die Erzeugung und Mobilität von topologischen Defekten untersuchen, wobei wir identische Analysemethoden auf simulierte und experimentelle Muster anwenden. Auf Grundlage der systematischen Charakterisierung und Variation der physikalischen Eigenschaften verschiedener Spezies unter verschiedenen Kulturbedingungen werden wir diese auf ein simulationsbasiertes Phasendiagramm abbilden. Schließlich werden wir Reaktionen der Bakterien auf Licht nutzen, um Kontrollstrategien für ihre Musterbildung zu entwickeln.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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