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Kollektive Identitäten im modernen Iran: Revolutionen als historische Kristallisationspunkte von Kategorisierung, Radikalisierung und Toleranz

Fachliche Zuordnung Islamwissenschaft, Arabistik, Semitistik
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 493131063
 
Um welche Konzepte von Toleranz und Respekt rangen Individuen und Gruppen in zwei entscheidenden Phasen des modernen Iran, d. h. der Verfassungsrevolution von 1906–11 und der Revolution von 1978–79? Ziel meines Projekts ist es, die Ideen und Phänomene kollektiver Identitäten sowie Selbstkategorisierungen, d. h. die Konstruktionen des ‚Selbst‘ und des ‚Anderen‘ zu nutzen, um diese Konzepte herauszuarbeiten. Gesellschaftliche Umwälzungen und die sie begleitenden Diskurse, die zu den beiden Revolutionen und den nachfolgenden Verfassungen führten, können Aufschluss über soziale und übergeordnete Kategorisierungen, ihre Erfolge bzw. ihr Scheitern geben. In Zeiten gesellschaftspolitischer Radikalisierung lassen sich politische und religiös-ideologische Akzentuierungen sowie politisch, religiös und/oder ideologisch bedingte und pragmatische Forderungen und Zugeständnisse – z. B. die Anerkennung von Gleichheit als Angehörige derselben Nation im Sinne einer kollektiven Identität – bzw. die Ablehnung von Respekt gegenüber ‚religiösen Minderheiten‘ als ‚Fremde‘ besonders gut erfassen. Unter Rückgriff auf das Ablehnung-Respekt-Modell wird eine genauere Betrachtung der Inklusion bzw. Exklusion und der Toleranz bzw. Intoleranz gegenüber Angehörigen ‚religiöser Minderheiten‘ – insbesondere der (Azali-) Babis und der Baha‘is – neues Licht auf die Bündnisse werfen, die während der beiden Revolutionen in der modernen iranischen Geschichte zwischen Angehörigen von Eigen- und Fremdgruppen im Sinne einer neu zu konstruierenden kollektiven Identität geschlossen wurden. Die zugrundeliegende Hypothese geht davon aus, dass die Ablehnung von ‚Häretiker*innen‘ dadurch gezähmt wurde, dass man sie in Hinblick auf ihre reformorientierten Überzeugungen als Gleiche respektierte oder aber als Mittel zum Zweck benutzte. Selbst im Falle ‚religiöser Minderheiten‘ wie der Babis bzw. Baha’is, die vom islamischen Recht nicht anerkannt werden – und auch wenn es sich dabei um eine Überforderung im Sinne des Modells handeln könnte –, konnte deren Ablehnung durch den gleichzeitigen Respekt ihnen gegenüber als anderen Gleichen überwunden werden und zu Toleranz führen. Natürlich muss das Ablehnung-Respekt-Modell in beide Richtungen wirken, d. h. die Angehörigen ‚religiöser Minderheiten‘ und/oder ‚religiöse Dissident*innen‘ könnten auch diejenigen ihrer Gegner*innen respektiert und toleriert haben, die ihnen nicht die Art von Respekt erwiesen, die auf der Gleichheitsanerkennung verschiedener Gleicher beruht.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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