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Bedürfnis und (Un-)Freiheit. Zur normativen Semantik des Mangels in Theorien sozialer Freiheit

Fachliche Zuordnung Praktische Philosophie
Geschichte der Philosophie
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 517830661
 
Die Auseinandersetzung um die Bildung, Interpretation und Befriedigung von Bedürfnissen spielt eine entscheidende Rolle für die Wirklichkeit von Freiheit. Das ist die Arbeitshypothese des Forschungsprojekts. Den Zusammenhang von Bedürfnis und Freiheit in dieser Weise zu fassen, ist nicht selbstverständlich. Wo das Verhältnis von Bedürfnis und Freiheit thematisiert wird, lassen sich grob zwei problematische Tendenzen identifizieren: Entweder werden Bedürfnisse strikt individualistisch gefasst, so dass die Normativität von Bedürfnissen nicht mehr adressiert werden kann, oder aber Bedürfnisse werden in einem anthropologisch-naturalistischen Rahmen begriffen, in dem die soziohistorische Spezifik von Praktiken der Bedürfnisbefriedigung nicht mehr reflektiert werden kann. Das Forschungsprojekt teilt die aktuelle Kritik am individualistischen Ausschluss der Frage nach der Normativität von Bedürfnissen. Es folgt der Überzeugung, dass normative Diskurse um Bedürfnisse und ihre Befriedigung sowie die Ungerechtigkeitserfahrungen, die sich in ihnen artikulieren, eine freiheitstheoretische Reflexion erfordern. Um dabei jedoch die naturalistische Verkürzung des Bedürfnisbegriffs zu vermeiden, soll der Begriff des Bedürfnisses in den Bezugsrahmen von Theorien ›sozialer Freiheit‹ gestellt werden. Durch dieses Vorgehen wird auch ein blinder Fleck in den gegenwärtigen Theorien sozialer Freiheit ausgeräumt, in denen bislang von Bedürfnissen nur am Rande die Rede ist. Dass in der Auseinandersetzung mit dem Verständnis von Bedürfnissen ein wichtiges Desiderat für die Theorie sozialer Freiheit liegt, zeigt ein Blick auf die für den Begriff sozialer Freiheit zentralen Philosophien von G.W.F. Hegel, Karl Marx sowie Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. Bei ihnen finden sich jeweils Versatzstücke einer sozialen Bedürfnistheorie, die den normativen Gehalt von Bedürfnissen durch ihre soziale Form erklärt und zugleich die Rolle der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Gestalt von Bedürfnissen für den Begriff sozialer Freiheit erhellt. Ausgehend von der Diskussion dreier Unfreiheitsdiagnosen – dem Hegel’schen Problem des Pöbels, der Marx’schen Kritik der Entfremdung sowie der Theorie der Kulturindustrie von Horkheimer und Adorno – wird das Forschungsprojekt diese Versatzstücke zu einer Theorie der Normativität sozialer Bedürfnisse integrieren. Ziel ist die Ausarbeitung eines Begriffs sozialer Freiheit, der die Verhandlung sozialer Bedürfnisse reflexiv in sich aufnimmt: die soziale Artikulation von Bedürfnissen und deren Befriedigung sind der Freiheit diesem Verständnis nach nicht vorgelagert, sondern Ausdruck ihrer Wirklichkeit.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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