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Beile/Dechsel und Mahlsteine als Geräte der Neolithisierung in Mitteleuropa. Ein integrativer Ansatz zur Funktionsanalyse mithilfe von Geometrischer Morphometrie, Spurenanalyse und Experimentalarchäologie (WEAR)

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Mathematik
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 509009439
 
Beile, Dechsel und Mahlsteine sind zentrale Innovationen des Neolithisierungsprozesses in Westasien und Europa. Diese Gerätegruppen wurden schon immer mit dem Übergang zu Ackerbau und Sesshaftigkeit verbunden, als Werkzeuge zur Rodung, zum Hausbau und zur Verarbeitung von Getreide und Hülsenfrüchten. Da diese Funktionen eindeutig schienen, ist der Zugang zu diesen Fundgruppen eher auf Klassifikation und Kontexte bezogen gewesen; funktionale Untersuchungen auf Grundlage von Abnutzungsspuren traten in den Hintergrund. Neuere Untersuchungen belegen jedoch Multifunktionalität für alle genannten Geräte. Für Beile und Dechsel sind Holzarbeiten ebenso nachgewiesen wie der Gebrauch bei Schlachten, der Bearbeitung von Tierhäuten und Stein sowie die Nutzung für Erdarbeiten. Mahlsteine werden für die Verarbeitung eines breiten Spektrums an Nahrungsmitteln eingesetzt, ebenso aber auch für Mineralien. Innerhalb dieser prinzipiellen Multifunktionalität gibt es während der Neolithisierung regional unterschiedliche Gewichtungen. Das Forschungsvorhaben zielt darauf, das Nutzungsspektrum von Beilen/Dechseln und Mahlsteinen durch die Untersuchung von Funktionen, Arbeitstechniken, Nutzungsintensitäten und kompletten Lebenszyklen von Objekten zu bestimmen und auf dieser Grundlage die hergestellten Nahrungsmittel, regionalspezifischen Ernährungsweisen (foodscapes) und Gerätenutzungen zu umreißen. Im Fokus stehen dabei zwei Regionen mit unterschiedlichen Umweltbedingungen und Bevölkerungsdynamiken: Das Mittelelbe-Saalegebiet und Südwestdeutschland, aus denen mit die zahlreichsten entsprechenden Funde vorliegen. Das Ziel ist der Vergleich regionaler Adaptionsstrategien durch a) die Untersuchung charakteristischen Gerätegebrauchs zur Anpassung der Umwelt an den "Neolithic way of life" und b) durch die Untersuchung regionaler foodscapes auf Grundlage der Geräte zur Nahrungsverarbeitung. Dabei wird der methodisch innovative Ansatz verfolgt, Geräte nicht auf eine Funktion zu reduzieren, sondern sie als Assemblagen aus zahlreichen Abnutzungszuständen zu verstehen, die komplexe Objektbiographien definieren. Funktionale Bestimmungen sind nur dann sicher und statistisch relevant, wenn diese kompletten Lebenszyklen betrachtet werden. Dies soll durch die Simulation von Objektbiographien in Langzeitexperimenten mit Repliken erfolgen, die alle Stadien vom Rohling bis zum komplett abgenutzten Werkzeug und unterschiedliche Arbeitstechniken, verarbeitete Materialien sowie Einsatzzwecke umfassen. Messbar und replizierbar werden diese Nutzungsserien durch die mathematische Modellierung auf Grundlage von Geometrischer Morphometrie an 3D-Modellen der Abnutzungszustände und mikroskopischer Untersuchung der entstehenden Spurenmuster. Im Ergebnis soll eine im Open Access verfügbare Referenzkollektion von Abnutzungszuständen entstehen, die über ein Softwaretool die automatisierte funktionale Bestimmung von Funden zulässt.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Österreich
Kooperationspartner Dr. Michael Brandl
 
 

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