Detailseite
Projekt Druckansicht

Neandertaler als Ingenieure? Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Werkzeugdesign, Funktionalität und Nutzung

Antragstellerin Lisa Schunk
Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 505363578
 
Steinwerkzeuge stellen die einzige kontinuierliche materielle Überlieferung früher Hominini über einen Zeitraum von drei Millionen Jahren dar. Steinwerkzeuge geben Aufschluss über technologische Anpassungen und Innovationen. Das Verständnis dieser Technologien ermöglicht Einblicke in frühmenschliches Verhalten, da Steinwerkzeuge (un-) bewusste Entscheidungen widerspiegeln. Werkzeugdesign ist beispielsweise durch Auswahl des Rohmaterials, Morphologie, Kantenretusche und anderer Faktoren gekennzeichnet. Dies wirft eine interessante Frage auf: warum wählten die Menschen im Paläolithikum bestimmte Designs für verschiedene Werkzeuge und welche Schlussfolgerungen hat dies für menschliches Verhalten? Solche Überlegungen können aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht werden, aber eine der wenigen Hypothesen, die direkt getestet werden kann, betrifft die Funktionalität von Steinwerkzeugen. Besonders geeignet für die Untersuchung von Werkzeugdesign, Funktionalität und Gebrauch sind spätmittelpaläolithische Keilmesser. Keilmesser sind ein stark standardisierter Werkzeugtyp mit nur einer singulären Schneidekante. Charakteristisch für Keilmesser sind lange Reduktionssequenzen inklusive Phasen des Nachschärfens. Die Schneidekante ist aufgrund wechselnder Retusche oft zweigeteilt, wodurch eine multifunktionale Werkzeugschneide entsteht. Im Rahmen des Projekts soll untersucht werden, weshalb Keilmesser über einen Zeitraum von min. 40 000 Jahren auf so spezielle Weise hergestellt wurden. Dazu wird die Hypothese getestet, dass Neandertaler funktionell und mechanisch optimierte Werkezuge herstellten, indem sie bewusste Entscheidungen bezüglich des Werkzeugdesigns trafen. Um diese Hypothese zu prüfen, wird eine mehrskalige Funktionsanalyse durchgeführt, die sich aus techno-typologischen und Gebrauchsspurenanalysen sowie sequentiellen Experimenten zusammensetzt. Der Versuchsplan stellt eine umfassende, bislang einzigartige Methodik dar, die aus drei sich ergänzenden Elementen besteht: hochgradig kontrollierte Experimente (mechanische Geräte), kontrollierte Experimente mit menschenähnlichen Bewegungsmerkmalen (Roboterarm) und manuelle, überwachte Experimente (Mensch). Zusätzliche qualitative und quantitative Gebrauchsspurenanalysen werden neue Erkenntnisse über die Entstehungsprozesse von Gebrauchsspuren und Bruchmechanik der Rohmaterialien liefern. Somit werden nicht nur methodische Ansätze aus der Archäologie und der Gebrauchsspurenforschung, sondern auch aus der Ingenieurswissenschaft und der Tribologie einbezogen. Das Projekt bietet eine seltene Gelegenheit, verschiedene Disziplinen unter Verwendung modernster Ausstattung zu kombinieren und eine vornehmlich quantitative Perspektive in die archäologische Forschung einzubringen. Die Verknüpfung von Werkzeugdesign, Funktionalität und Gebrauch wird ein besseres Verständnis für die Steingerätetechnologien des Neandertalers im Mittelpaläolithikum ermöglichen und zugleich neue Erkenntnisse zu deren Verhalten liefern.
DFG-Verfahren WBP Stipendium
Internationaler Bezug Großbritannien
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung