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Die Rolle des impliziten Sprachwissens bei der Informationsorganisation: typologische Merkmale des Japanischen und des Deutschen und deren Implikationen für die Sprachproduktion

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung Förderung von 2007 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 50520919
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt behandelte Fragestellungen an der Schnittstelle zwischen Systemlinguistik, Kognitiver Linguistik und Zweitspracherwerbsforschung. Es wurden die folgenden Ergebnisse erzielt: Systemlinguistik: Im Zentrum der Betrachtung standen sprachstrukturelle Merkmale des Japanischen. Das Japanische weist grammatikalisierte Kategorien im Bereich Temporalität und Assertionsmarkierung auf, die im Deutschen nicht vorhanden sind. So erfordert das Japanische obligatorisch die Wahl einer aspektuellen Perspektive ebenso wie die Entscheidung für einen ‚Status der Assertion‘ (wie Kontrast oder Erhalt von Topikelementen). Auf der Grundlage empirischen Materials konnte gezeigt werden, dass einige in der Forschung weit verbreitete Annahmen über die Funktionsweise der entsprechenden Partikel das System nicht angemessen erfassen. So ist zum einen die Sicht der japanischen simplen Form des Verbs (ohne morphologische Markierung) als aspektuell nicht markiert nicht zu halten. Die Untersuchungen zeigen, dass eine aspektuelle Opposition zwischen einer Zustands- und einer Ereignisperspektive besteht, die durch die simple Form bzw. die mit –tei- markierte Verbform zum Ausdruck gebracht wird. Diese Analyse des japanischen Aspektsystems hat weitreichende Implikationen für Aspektstudien zum Japanischen, wie sie beispielsweise im Kontext des Spracherwerbs durchgeführt wurden. In ähnlicher Weise weiterführend sind die Studien zu den japanischen Partikeln der Informationsgliederung -wa und -mo. Auch hier konnte durch die empirischen Studien gezeigt werden, dass die informationsstrukturelle Funktion dieser Partikel - anders als in der Forschung angenommen - nicht darin liegt, dass sie als generelle Topikpartikel bzw. additive Partikel fungieren, sondern dass beide Partikel als Assertionsmarkierer im Diskurskontext anzusehen sind. Es sind in weiterführenden, insbesondere experimentellen Arbeiten interessante Weiterentwicklungen bestehender Theorien zu erwarten. Kognitive Linguistik: Die beiden sprachstrukturellen Bereiche ‚Aspekt‘ und ‚Informationsgliederung‘ bringen perspektivisch gebundene Kategorien zum Ausdruck. Sie erfordern obligatorisch die Wahl einer bestimmten Sichtweise auf eine Situation, die in einer Sprache ohne diese Markierungen nicht berücksichtigt werden müssen. Sprachvergleichende empirische Untersuchungen zum Japanischen und Deutschen haben gezeigt, wie sich diese sprachstrukturellen Unterschiede auf Informationsselektion und -aufbau und damit auf die der Rede vorausgehende Konzeptualisierung auswirken. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Kohärenzmuster verlaufen in japanischen Texten entlang der Beziehungen zwischen den Entitäten, deren Informationsstatus grammatisch zu kennzeichnen ist. Die Information wird entsprechend so ausgewählt und angeordnet, dass diese Kohärenzdimension bedient werden kann. Deutsche Sprecher präferieren demgegenüber Kohärenz über die temporale Dimension, es werden daher Informationen ausgewählt, die diese Verknüpfung möglich und eindeutig machen. Zweitspracherwerbsforschung: Die Untersuchung von Lernersprachen Deutsch ←→ Japanisch hat gezeigt, dass grammatische Kategorien, die perspektiven-gebunden einzusetzen sind, größte Lernschwierigkeiten aufwerfen. Die Lerner folgten in ihrem Informationsaufbau weitgehend Mustern ihrer Muttersprache. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zu der gegenwärtigen Diskussion um die Frage von konzeptuellen Transferprozessen im L2-Erwerb, indem die Ergebnisse einen in dieser Hinsicht differenzierten Lernprozess nahelegen. Es gibt Teile des sprachlichen Systems, deren Funktionen an das Sprechersubjekt gebunden und damit hochgradig erfahrungsgebunden sind (implizites Wissen), die mit dem Erwerb einer Zweitsprache von den meisten Lernern nicht reorganisiert werden. Anwendungsaspekte: Die Ergebnisse zur Funktion zentraler Ausdrucksformen im Japanischen sind relevant für den Bereich der Sprachlehre, wo sie bisher so gut wie nicht systematisch erfasst werden. Des Weiteren sind sie von Bedeutung für das Feld der Übersetzung und maschinellen Übersetzung. Auch hier stellen Prinzipien der Informationsgliederung bisher erhebliche Schwierigkeiten dar. Die Arbeiten des Projektes leisten erste Schritte dazu, auch diesen impliziten Teil des sprachlichen Wissens systematisch zu erfassen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2010). Aspekterwerb durch deutsche Lerner des Japanischen – eine empirische Studie zur Rolle grammatikalisierter Kategorien in der Sprachproduktion. Linguistische Berichte, 223. 265-296
    Tomita, N.
  • (2013). Conceptualizing in a second language. IRAL, 51-2, 77-85
    v. Stutterheim, C., M. Flecken & M. Carroll
  • (2013). Principles of information organization in L2 use: complex patterns of conceptual transfer. International Review of Applied Linguistics (IRAL) 51-2, 229-242
    Flecken, M., v. Stutterheim. C. & Carroll, M.
  • (2013). Strategies for linking information by German and Japanese native speakers and by German learners of Japanese. IRAL, 51-2, 117-149
    Tomita, N.
  • Language structure and principles of information organization: An analysis of retellings in Japanese, German and L2 Japanese. In: Steinbach, Markus & Annika Hübl (eds.), Linguistic Foundations of Narration in Spoken and Sign Languages, John Benjamins. S. 41-64, 2018
    Tomita, Naoko
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1075/la.247.03tom)
 
 

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