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Toleranz übersetzen: Konzepte, Texte und Vermittler zwischen Polen und dem protestantischen Deutschland (1645-1795)

Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 465093384
 
Religiöse Toleranz bringt man oft – entweder positiv oder negativ – mit der Entstehung moderner Gesellschaften in Verbindung. Im westlichen Europa verknüpfte man Toleranz gern mit Denkern, die religiöse Unterschiede für unwichtig hielten; im östlichen Europa führte man Toleranz dagegen häufig auf das praktische Zusammenleben unterschiedlicher Religionsgemeinschaften zurück. Um diesen Scheingegensatz zwischen “westeuropäischer Theorie” und “osteuropäischer Praxis" zu überwinden, untersucht das beantragte Projekt anhand zeitgenössischer (handschriftlicher und gedruckter) Quellen innerchristliche Toleranzvorstellungen: als Gegenstand, Produkt und Effekt “kultureller Übersetzungen” zwischen zwei benachbarten europäischen Regionen (Polen-Litauen und Brandenburg-Preußen zwischen 1645 und 1795). Im Zentrum stehen Diplomatie, zeitgenössische Öffentlichkeit und polnisch-deutsche Mittelsleute. Ziel ist es herauszuarbeiten, inwiefern sich Toleranzphänomene durch Interaktion und grenzüberschreitenden Austausch entwickelten. Dies betrifft zum einen den Beitrag politischer, wirtschaftlicher und ideologischer Motive zur Entstehung vermeintlich “toleranter” bzw. “intoleranter” Staaten. Zum anderen geht es darum, wie Toleranzideen und ihre Verfechter politische Handlungen beeinflussten. Das Projekt orientiert sich methodisch am Konzept der “Kulturellen Übersetzung”: Damit ist nicht allein die sprachliche Übersetzung von Texten gemeint, sondern auch die Übertragung und Veränderung von Ideen und Praktiken. Indem wir nach Entstehung, Produktion und historischem Verständnis von “toleranter Staatlichkeit” in bestimmten regionalen und sozialen Kontexten fragen, vermeiden wir eine problematische Essentialisierung von Toleranz als überzeitlicher Kategorie. Das Projekt bietet eine neue Sicht auf die Geschichte religiöser Ideen, indem es den Blick auf die Entstehung und historische Entwicklung von Toleranzkonzepten wirft, die bis heute eine große gesellschaftliche Bedeutung beanspruchen. Erstmalig wird in polnisch-deutscher Perspektive die Geschichte religiöser Toleranzvorstellungen und -praktiken untersucht. Damit leistet das Projekt einen Beitrag dazu, das Bewusstsein einer Jahrhunderte alten kulturellen Verwobenheit Polens und Deutschlands innerhalb der historischen Wissenschaften und in einer breiteren Öffentlichkeit weiter zu verankern. Das Vorhaben profitiert von der komplementären Expertise zweier Wissenschaftler, die sich vielfältig mit der Geschichte von Toleranz und religiöser Koexistenz in Polen und Ostmitteleuropa (Ptaszyński) sowie in Mittel- und Westeuropa (Schunka) befasst haben. Die enge Zusammenarbeit beider Teams in Berlin und Warschau ermöglicht parallele Forschungen und gemeinsame Formen der Ergebnissicherung. Das Forschungsprojekt versteht sich als Ausgangspunkt weiterer Zusammenarbeit im Bereich der Religionsgeschichte der Frühen Neuzeit zwischen Warschau und Berlin.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Polen
Partnerorganisation Narodowe Centrum Nauki (NCN)
 
 

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