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Normal#verrückte Kunst. Werke aus psychiatrischem Kontext zwischen Diagnostik und Ästhetik nach 1945

Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 419057548
 
1945 prägte der Künstler und Sammler Jean Dubuffet den Begriff Art brut für originelle Werke von Laien, die außerhalb von Traditionen und aktuellen Kunstströmungen entstanden waren, die er jedoch für die eigentliche Kunst hielt, darunter prominent Werke von Psychiatrieinsassen. Damit bezog er dezidiert Stellung in der Debatte über die Zuordnung dieser Werke zwischen Pathologisierung und Aufwertung zur Kunst. Die Debatte hatte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg für "Bildnerei der Geisteskranken" begonnen, bis sie – im deutschen Sprachraum – mit dem Nationalsozialismus fast vollständig verdrängt worden war.In den folgenden Jahrzehnten standen diese Werke, die wir in dem hier vorgeschlagenen Projekt normal#verrückte Kunst nennen möchten, im Zentrum immer wieder neuer Aushandlungsprozesse, in die sich neben Psychiater*innen nun auch verstärkt Künstler*innen, Ausstellungs-macher*innen, Galerist*innen, Sammler*innen, Journalist*innen, Kunsttherapeut*innen und nicht zuletzt die Künstler*innen selbst einmischten. Neben sich ständig erweiternden Akteurskonstellationen wird in den Debatten eine Erosion der Differenz von "normal" und "verrückt" sichtbar, wobei sich die Kategorien dennoch bis heute nicht vollständig aufgelöst haben, sondern im Sinne einer Gegenläufigkeit aufeinander bezogen bleiben. Hierfür sorgen bereits die ökonomischen Logiken des Kunstmarktes, in dem die Emanzipation der Art brut, später "Outsider Art", aus psychiatrischem Kontext als Kunst nicht ohne gleichzeitige (Selbst-) Pathologisierung auskommt. Der Prozess ist nicht abgeschlossen, gleichwohl kann um 1990 nach der Einrichtung eigener Museen, Galerien, und Zeitschriften von dem Abschluss einer Phase der Institutionalisierung von Outsider Art ausgegangen werden, so dass sich dieser Zeitpunkt als Ende des Untersuchungszeitraums eignet.Ziel dieses Teilprojekts ist es, die in der Forschergruppe untersuchte erodierende Differenz "normal#verrückt" an der Intersektion zwischen bildender Kunst/Kunstmarkt/Kunstbetrieb und Psychiatrie/Psychiatrieerfahrung/psychische Ausnahmeerfahrung für die Zeitgeschichte des Psychischen fruchtbar zu machen. Dabei geht das Teilprojekt von den normal#verrückten bild-künstlerischen Werken selbst, ihren Eigenheiten und ihrer Ästhetik aus, um deren bildwissenschaftlich zu ergründende Besonderheiten als Anknüpfungspunkte für die Rekonstruktion der Debatte aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft zu identifizieren. Aufgrund der gesellschaftlichen Bedeutung von Kunst und der Öffentlichkeit des Diskurses, der von den normal#verrückten Werken und ihrer Strahlkraft ausgeht, trägt eine Rekonstruktion des Erosionsprozesses gerade in diesem Bereich, eine Reflexion der in ihm wirksamen zentrifugalen und zentripetalen Tendenzen, wesentlich zum Gesamtanliegen der Forschergruppe bei.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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