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Kommensurierungsprozesse auf Finanzmärkten

Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 452530257
 
Das Projekt geht von der Annahme aus, dass die zunehmende Dynamik und Verselbständigung von Finanzmärkten als Ergebnis eines langen historischen Prozesses der Kommensurierung verstanden werden kann, durch den immer mehr und immer verschiedenartigere Finanzinstrumente miteinander vergleichbar, füreinander substituierbar und relativ zueinander bewertbar gemacht wurden, wodurch vorher unverbundene Finanzgeschäfte in ein hochgradig verdichtetes globales Finanzsystem zusammengeführt wurden. Diese These ist in einem 2019 erschienenen Aufsatz der Antragstellerin ausgeführt und wird in diesem Projekt empirisch verfeinert oder überprüft. Kommensurierungssteigerungen lassen sich sowohl in der langfristigen historischen Entwicklung von Finanzmärkten nachweisen als auch in jüngeren Entwicklungen, die seit den 1970er Jahren globale Finanzmärkte revolutioniert haben, insbesondere (a) im Aufstieg von Derivatemärkten und (b) im Aufstieg von Kapitalmärkten. Der Aufstieg von Derivatemärkten wurde ausgelöst durch die mit der Black-Scholes-Merton-Optionspreistheorie ermöglichte Kommensurierung von Basiswerten (Aktien, Anleihen) und Derivaten (Optionen, Futures, Swaps). Der Aufstieg von Kapitalmärkten wurde getrieben durch die Kommensurierung – und damit zunehmende Konkurrenz und Substitution – zwischen Bankprodukten (Anleihen, Einlagen) und Kapitalmarktprodukten (Wertpapieren aller Art). Ziel des Projekts ist, das Verständnis dieser beiden Teiltrends zu untermauern und zu verfeinern mittels diskursiven Interviews mit Finanzexperten (Akademikern und Praktikern) aus mehreren Bereichen: (a) Finanzwissenschaftlern mit Spezialisierung in Derivaten; Derivateexperten in Banken und anderen Finanzfirmen, (b) Finanzhistoriker; Finanzierungsspezialisten in Unternehmen, Beratungsfirmen, Branchenmedien. Zusätzlich wird für Teilfrage (b) eine selektive Inhaltsanalyse von einzelnen Jahrgängen wichtiger Branchenmedien durchgeführt (Zeitschriften zu Kapitalanlage und Unternehmensfinanzierung), um die Ausweitung des Spektrums von verglichenen Instrumenten nachzuverfolgen. Dieses empirische Setting ist bewusst weit und mehr in die Breite als in die Tiefe gehend angelegt. Die Interviews zielen nicht auf ab, die Details des Arbeitsalltags in irgendeinem der genannten Felder zu rekonstruieren (was offensichtlich unmöglich wäre), sondern Experten mit dem Deutungsschema von Kommensurierung – Steigerung von Vergleichbarkeit, als Steigerung sowohl der Breite als auch der technischen Präzision von Vergleichen – diskursiv zu konfrontieren und ihre Reaktionen zu notieren. Damit können die Prozesse, die der historischen Entwicklung von Finanzmärkten zugrunde liegen, besser verstanden werden; das Projekt verfolgt das ehrgeizige Ziel, ein theoretisches Konzept zu testen, das ein umfassendes Bild dieser Entwicklung über das letzte halbe Jahrhundert zu liefern beansprucht.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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