Detailseite
Die Absicht der Anderen. Zur sozialen Wirksamkeit von Intentionszuschreibungen im europäischen Mittelalter
Antragsteller
Dr. Marcel Bubert
Fachliche Zuordnung
Mittelalterliche Geschichte
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Geschichte der Philosophie
Soziologische Theorie
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Geschichte der Philosophie
Soziologische Theorie
Förderung
Förderung seit 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 441044496
In verschiedenen gesellschaftlichen Debatten der letzten Jahre hat sich gezeigt, wie wirksam Intentionszuschreibungen sind, um Deutungskämpfe auszutragen und das Verhältnis sozialer Gruppen zueinander zu verhandeln. Dies gilt insbesondere für Situationen, in denen Kollektiven Intentionen unterstellt werden, die vermeintlich ihr Handeln anleiten. Die Wirksamkeit von Intentionszuschreibungen lässt sich für unterschiedliche Gesellschaften und Epochen feststellen. Das Netzwerk beabsichtigt zu untersuchen, inwiefern das Zuschreiben von Intentionen ein Mittel gesellschaftlicher Selbst- und Fremdbeobachtung und der sozialen Steuerung im Mittelalter war. Es setzt bei der Beobachtung von Aussagen über Absichten und Pläne historischer Akteurinnen und Akteure in mittelalterlichen Quellen an. Unsere leitende Hypothese besagt, dass über Intentionszuschreibungen und das Zurechnen von Verantwortung Personen sowie Gruppen ihr Verhältnis zueinander klären. Diese Annahme soll für verschiedene soziale und diskursive Konfigurationen überprüft werden. Dafür wird die Erforschung von Intentionszuschreibung anhand der Untersuchungsfelder Recht, Religion bzw. Frömmigkeit, (Moral-)Philosophie, Literatur, Ökonomie und Politik sowie Kulturkontakt strukturiert.Das Netzwerk fragt danach, welche Zusammenhänge zwischen reflexiven Bezugnahmen auf Intentionen und den Praxen der Intentionszuschreibung bestanden. Ein Schwerpunkt liegt auf Vorhängen der Steuerung von Intentionszuschreibungen. Akteure vermögen häufig Intentionszuschreibungen vorzunehmen, die aus Sicht der Handelnden im Wesentlichen treffend sind, weil jene zumeist nicht willkürlich erfolgen, sondern aufgrund von in früheren Kommunikationssituationen erworbenen Erfahrungen und sozialen Routinen. Handelnde können mit diesen kalkulieren, so dass es ihnen möglich ist, Intentionszuschreibungen bis zu einem gewissen Grad zu steuern. Infolgedessen erscheint die Frage aufschlussreich, wie Konventionen und Erwartungshaltungen von Handelnden genutzt werden, um gewünschte Reaktionen wahrscheinlich zu machen, indem den Rezipienten nahegelegt wird, die Handlung auf eine bestimmte Absicht zurückzuführen.Obwohl Intentionen in verschiedensten Quellen über das gesamte Mittelalter hinweg regelmäßig begegnen und Zuschreibungen von Absichten in der Forschung mit ebensolcher Regelmäßigkeit erfolgen, finden sich in der Vormoderneforschung nur wenig theoretisch belastbare und zugleich praktisch erprobte Konzepte, wie dieses Phänomen historisch zu erforschen sei. Um ein entsprechendes Konzept vorzulegen, gilt es die Ansätze der Begriffs- und Ideengeschichte, der Historischen Praxeologie sowie der Nachbarwissenschaften, der Philosophie, Literaturwissenschaft und Soziologie zu adaptieren.Ziel des Netzwerkes ist eine gemeinsame Veröffentlichung zum Thema Intentionszuschreibungen im europäischen Mittelalter. Ein vergleichbares Werk liegt bislang nicht vor, da das Thema in der historischen Forschung bisher nicht systematisch bearbeitet wurde.
DFG-Verfahren
Wissenschaftliche Netzwerke
Mitverantwortlich
Dr. Jan-Hendryk de Boer