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Von Gräbern zu Brunnen? Neue Fluchtafeln vom athenischen Kerameikos und die Entwicklung des örtlichen Fluchrituals

Antragstellerin Sara Chiarini, Ph.D.
Fachliche Zuordnung Alte Geschichte
Griechische und Lateinische Philologie
Klassische, Provinzialrömische, Christliche und Islamische Archäologie
Förderung Förderung von 2020 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 438011339
 
Das Projekt sieht zunächst die Erschließung und erstmalige Edition einer neuen Sammlung von 29 altgriechischen Fluchtafeln vor, die während der von 2011 bis 2016 von der athenischen Abteilung des DAI durchgeführten Ausgrabungen am Brunnen B 34 im Kerameikos gefunden wurden. Aus der Entzifferung dieses neuen epigraphischen Materials kann man erwarten, die Onomastik und Prosopographie antiken Athens zu erweitern, das Repertoire der Fluchsprache mit neuen Formulierungen zu ergänzen und möglicherweise den Namen der im Brunnen verehrten Gottheit zu entdecken.Zudem soll der Frage nachgegangen werden, welchen Einfluß diese neuen Funde für unser Verständnis der Fluchpraxis im Kontext des Kerameikos haben. Aufgrund ihrer Fundsituation ändern die neuen Fluchtafeln unsere bisherigen Kenntnisse über die Nutzung des Kerameikos als Ortes der Ausübung von Fluchpraktiken erheblich.Schließlich sollen die Fundergebnisse des Kerameikos in die allgemeine Fluchtradition Athens eingebettet werden. Zunächst soll ein epigraphischer und textueller Vergleich der neuen Funde zu den bereits früher gefundenen stattfinden. Soweit bei den früheren Tafeln die Fundkontexte dokumentiert sind, können die beiden Gruppen nebeneinandergestellt werden. Dann müssen sie mit der erheblich größeren Zahl der athenischen Täfelchen verglichen werden, deren Chronologie nur auf Paläographie, Prosopographie und verwendeten Formulierungen basierte. Das könnte zu Präzisierungen oder Korrekturen der bisherigen Datierungen führen.Mithilfe des neuen Materials kann man außerdem einer allgemeinen Frage zum Corpus der athenischen Fluchtafeln angehen: Während ein Rückgang in den Zeugnissen zwischen der Mitte der hellenistischen Epoche und der frühen Kaiserzeit überall in der antiken Welt zu verzeichnen ist, steigt die Anzahl der Funde ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. in Athen und, allgemeiner, in der Region Attika im Gegensatz zur Gesamtheit der antiken Welt nicht wieder, obwohl Athen einer der wenigen Orte ist, für die eine Kontinuität der Fluchpraxis belegt ist. Dort bleibt die Menge der Zeugnisse im Vergleich zur klassisch-frühhellenistischen Zeit über alle darauffolgenden Jahrhunderte deutlich niedriger. Mehrere Faktoren, die im einzelnen überprüft werden sollen, können diesen Zustand beeinflusst haben. Ein von mir als vielversprechend betrachteter Ansatz betrifft die Fundumstände. Die athenischen Fluchtafeln, für die die archäologischen Kontexte dokumentiert sind, können zum größten Teil zwei Deponierungsorten zugeordnet werden: dem Begräbnis- und dem Quellenkontext. Verbindet man diese Gegebenheit mit der chronologischen Verteilung der Täfelchen, stellt man fest, dass es eine Konzentration der späteren Funde in Wasservorkommen gibt. Daher könnte man die Hypothese formulieren, dass eine gewisse Entwicklung in den Fluchgewohnheiten der Athener stattfand, indem ab dem späten Hellenismus Quellen und Brunnen die von den Stadtbewohnern bis dahin bevorzugten Gräber überholt hätten.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Kooperationspartnerin Dr. Jutta Stroszeck
 
 

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