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Tinnitus und Stochastische Resonanz

Antragsteller Dr. Patrick Krauss
Fachliche Zuordnung Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Förderung Förderung von 2020 bis 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 436456810
 
Subjektiver Tinnitus, die Wahrnehmung eines Geräuschs ohne externe akustische Reize, ist ein immer häufiger auftretendes Problem von mittlerweile bis zu 15% der erwachsenen Bevölkerung. In schweren Fällen wird eine normale Lebensführung zunehmend unmöglich und kann bei Betroffenen bis zum Suizid führen. Dennoch gibt es noch immer keine Heilung für diese Form des Tinnitus, da die exakten Mechanismen, die zu seiner Entwicklung führen, noch immer unklar sind. Zahlreiche Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Tinnitus und pathologisch erhöhter neuronaler Spontanaktivität, sowie zwischen Tinnitus und einem Hörverlust. Es werden verschiedene Modelle zur Tinnitus Entstehung diskutiert, wobei alle klassischen Modelle in zwei Hauptklassen eingeteilt werden können: laterale Inhibitionsmodelle und Central Gain Modelle. Jedoch bieten all diese Modelle keine vollständige oder hinreichende mechanistische Erklärung für den Zusammenhang zwischen Hörverlust, neuronaler Hyperaktivität und subjektivem Tinnitus.Wir haben kürzlich ein alternatives Modell zur Entstehung von Tinnitus basierend auf Stochastischer Resonanz (SR) entwickelt. SR bezeichnet das Phänomen, das schwache Signale, welche für einen gegebenen Sensor eigentlich unterschwellig sind, dennoch detektiert und übertragen werden können, wenn Rauschen (z.B. spontan feuernde Neurone [=neuronales Rauschen] oder zufällige Luftdruckschwankungen [=akustisches Rauschen]) einer bestimmten Stärke zum Sensorinput hinzugefügt wird. Sich selbst regelnde Systeme, welche auf SR beruhen, passen die optimale Stärke des Rauschens über einen Regelkreis ständig so an, dass die Informationsübertragung auch dann optimal bleibt, wenn sich die statistischen Eigenschaften des Inputsignals ändern. Mithilfe eines mathematischen Modells und Computersimulationen konnten wir zeigen, dass adaptive SR möglicherweise die primäre Ursache für die Entstehung von Tinnitus nach einem Hörverlust ist.Hauptziel dieses Antrags ist es, unser neues SR basiertes Modell zu erweitern und experimentell zu validieren, um somit ein besseres Verständnis des komplexen Phänomens Tinnitus zu erlangen. Unser neues Modell implizierte bereits eine völlig neue Behandlungsmethode, nämlich Beschallung mit akustischem Weißen Rauschen moderater Lautstärke. Erste Ergebnisse im Tiermodell deuten bereits die potentielle Wirksamkeit dieser Methode an. Jedoch sollte ein noch detaillierteres Verständnis der, dem Tinnitus zugrunde liegenden, neuronalen Prozesse zu noch besseren Behandlungsansätzen führen. Beispielsweise ist es denkbar, dass andere Arten von akustischem Rauschen, die an den individuellen Hörverlust der Tiere angepasst sind, effektiver sind. Ein tieferes theoretisches Verständnis zusammen mit individuellen Behandlungsansätzen wird zu einer besseren Übertragbarkeit vom Tiermodell auf den Menschen führen.Während sich unser aktuelles Modell auf bottom-up Prozesse konzentriert, wollen wir in einem Folgeantrag das Modell um top-down Prozesse erweitern.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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