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Retrospektive Urteile zu Gesundheit und Lebensqualität bei Patienten und in der Allgemeinbevölkerung: Response shift und Recall bias

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2019 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 433135196
 

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Um die Auswirkungen von Erkrankungen oder von therapeutischen Maßnahmen auf die subjektive Gesundheit und Lebensqualität von Personen einschätzen zu können, werden häufig retrospektive Urteilsverfahren eingesetzt: Die Personen sollen ihre gegenwärtige Gesundheit einschätzen und außerdem die Gesundheit, welche sie vor dem Beginn des Ereignisses hatten. Aus der Differenz zwischen diesen beiden Einschätzungen schließt man dann auf die Wirkung der Ereignisse. Diese Methode setzt aber voraus, dass es keine systematischen Urteilsverzerrungen bei den retrospektiven Urteilen gibt. Hauptanliegen der Studie war die Überprüfung dieser Voraussetzung. Dazu wurden bereits erhobene Daten zugrunde gelegt. Deshalb umfasste der Antrag nur Mittel für die Datenanalyse und keine Mittel für die Datengewinnung. Das Projekt umfasste zwei Teilprojekte. In Teilprojekt 1 wurden anhand einer Stichprobe von 2282 Personen der Allgemeinbevölkerung der Zusammenhang zwischen aktueller und retrospektiv eingeschätzter Gesundheit untersucht. Teilprojekt 2 bezog sich auf sechs verschiedene Patientenstichproben (n zwischen 197 und 1197), bei denen die Patienten neben der Einschätzung der aktuellen Gesundheit auch retrospektive Einschätzungen zu Gesundheitszustand zur Zeit vor der Erkrankung angaben. Hauptergebnis von Teilprojekt 1 ist, dass Personen der Allgemeinbevölkerung rückwirkend ihre Gesundheit überschätzen. Daraus lässt sich ableiten, dass es zu irreführenden Folgerungen führt, wenn man die Auswirkung einer Erkrankung auf die subjektive Gesundheit durch eine Differenzbildung von aktueller und retrospektiv eingeschätzter Gesundheit bestimmt. In diesem Fall würde man die Wirkung der Erkrankung (wegen des nachgewiesenen retrospektiven Überschätzungseffekts) systematisch überschätzen. Ältere Personen neigen stärker als jüngere zu Überschätzungen der früheren Gesundheit. Hauptergebnis von Teilprojekt 2 ist, dass bei fünf der sechs Patientenstichproben die Patienten ihre Gesundheit rückwirkend als besser einschätzen, als es nach den Normwerten der Allgemeinbevölkerung zu erwarten gewesen wäre. Dieser Überschätzungseffekt ist bei globaleren Gesundheitsindikatoren stärker als bei spezifischeren Indikatoren. Er tritt bei älteren Patienten im Mittel stärker auf als bei jüngeren „Überraschungen“ in Projektverlauf gab es dahingehend, dass in einer der sechs Patientenstichproben die Ergebnisse erwartungskonträr ausfielen: Die retrospektiven Urteile der kardiologischen Patienten zeigten im Gegensatz zu den anderen fünf Patientengruppen eine schlechtere retrospektiv eingeschätzte Gesundheit als die Allgemeinbevölkerung. Dies kann jedoch durch mögliche Vorerkrankungen oder einen insgesamt ungesünderen Lebensstil bei dieser Patientengruppe erklärt werden. Die Ergebnisse sind aus grundlagenwissenschaftlicher Sicht relevant, Folgerungen für die klinische Versorgung sind nicht direkt ableitbar. Jedoch sollen die Ergebnisse letztlich dazu beitragen, geeignete Methoden zur Erfolgskontrolle von medizinischen Interventionsmaßnahmen zu entwickeln und ungeeignete Methoden als solche herauszustellen.

 
 

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