Das Reduktionsproblem in der Physik - Chancen einer pluralistischen Ontologie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Reduktionsdebatte in der Wissenschaftstheorie wie in der Philosophie des Geistes wird in der Regel unter der Prämisse geführt, dass reduzierte Theorien (bzw. Beschreibungen von Phänomenen) durch die sie reduzierenden Theorien oder Beschreibungen eliminiert werden. Die Gleichsetzung von Reduktion mit Elimination, die auch den Hintergrund des andauernden weltanschaulichen Streits um den Reduktionismus bildet, entstammt dem klassischen Reduktionskonzept von Nagel, das inzwischen modifiziert, aber nicht grundsätzlich revidiert worden ist. Das Projekt „Das Reduktionsproblem in der Physik — Chancen einer pluralistischen Ontologie" unternimmt eine solche Revision des Reduktionsbegriffes, wobei als Material und Argumentbasis moderne physikalische Theorien verwendet werden. Der Nachweis, dass bereits Reduktions-Beziehungen im Bereich der Physik, die allgemein als paradigmatischer Ort gelungener Reduktionen betrachtet wird, nicht mit der Elimination der reduzierten Theorien einhergehen, muss als aussagekräftig auch für andere Anwendungsfelder des Reduktionismus (u.a. Beschreibungen mentaler Phänomene) angesehen werden. In drei detaillierten Fallstudien, die das Verhältnis zwischen allgemeiner Relativitätstheorie und klassischer Gravitationstheorie, Quantenmechanik und klassischer Mechanik, sowie statistischer Physik und Thermodynamik betreffen, wird gezeigt, dass zwischen direkter und indirekter Reduktion unterschieden werden muss. Direkte Reduktionsbeziehungen zwischen physikalischen Theorien dürfen nicht als globale logische Ableitungsbeziehungen zwischen den jeweiligen Gesetzesmengen aufgefasst werden, sondern bestehen vielmehr in lokalen topologischen Nachbarschaftsbeziehungen zwischen speziellen Lösungsmengen der jeweiligen Theorien. Infolge dessen sind direkte Reduktionsbeziehungen nicht stark genug, um indirekte Reduktionsbeziehungen zwischen den Theorien zu erzwingen, d.h. um zu gewährleisten, dass alle Phänomen-Erklärungen der reduzierten Theorie durch die reduzierende Theorie übernommen werden. Das Bestehen direkter Reduktionsbeziehungen führt also nicht zwangsläufig zu einer eliminativen Reduktion. Tatsächlich erweist sich, dass in allen drei eingehend diskutierten Fallbeispielen trotz der Existenz direkter Reduktionsbeziehungen (im Sinne von Nachbarschaftsrelationen) die Erklärungskraft der reduzierenden Theorie alleine nicht hinreicht, um die Phänomen-Erklärungen der reduzierten Theorie zu übernehmen. Erklärungen mithilfe allgemeiner Relativitätstheorie oder Quantenmechanik greifen vor allem dann in systematischer Weise auf begriffliche Mittel der klassischen Physik zurück, wenn es um das Verhalten zusammengesetzter, komplexer Systeme geht. Die moderne Physik kann daher nicht als Beleg für die Existenz wissenschaftlich relevanter eliminativer Reduktionen angesehen werden, sondern stützt nur einen schwächeren Begriff von Reduktion als Theorien-Nachbarschaft.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Reduction and Reductionism in Physics", in: Alexander Hieke und Hannes Leitgeb (eds.): Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences. Papers of the 31st International Wittgenstein Symposium, Kirchberg am Wechsel: Die Österreichische Ludwig Wittgenstein Gesellschaft 2008, S. 128-130
Rico Gutschmidt
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„Reduction and Reductionism in Physics", in: Volha Kukushkina und Katarzyna Kijania-Placek (eds.): Sixth European Congress of Analytic Philosophy: Volume of Abstracts, Krakow: Jagiellonian University Krakow 2008, S. 301
Rico Gutschmidt
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„Theorien der Gravitation und das Reduktionsproblem in der Physik", Tagungs-CD-Rom des „XXI. Deutschen Kongresses für Philosophie" vom 15.-19. September 2008 in Essen
Rico Gutschmidt