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Lokale Selbstregelungen für die Herstellung von Sicherheit: Bürgerwehren in Burkina Faso

Antragstellerin Professorin Dr. Katja Werthmann, seit 11/2020
Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Afrika-, Amerika- und Ozeanienbezogene Wissenschaften
Förderung Förderung von 2019 bis 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 391467173
 
Dieses Teilprojekt untersucht lokale Selbstregelungen im Funktionsbereich der Sicherheit. Forschungsgegenstand sind Bürgerwehren (Vigilanten) in dem westafrikanischen Land Burkina Faso. Bürgerwehren formieren sich in Reaktion auf die Zunahme von Kriminalität im ländlichen und städtischen Raum. Das Teilprojekt vergleicht zwei verschiedene Formationen von Bürgerwehren: Jäger (Jula: dozo), die sich auf eine jahrhundertealte Tradition berufen, und ‚Selbstverteidigungsgruppen‘ (groupes d’auto-défense) oder ‚Hüter des Waldes‘ (Mooré: koglweogo), die sich erst seit kurzer Zeit formieren.Das Teilprojekt untersucht die jeweiligen Aktivitäten der Bürgerwehren, ihre Selbstlegitimationen und die wechselseitigen Liminierungen. Insbesondere die rasche Ausbreitung von koglweogo steht im Zusammenhang mit den politischen Umbrüchen seit dem Volksaufstand, der 2014 das semi-autoritäre Regime von Blaise Compaoré nach 27 Jahren beendete. Angesichts der Ausbreitung von Bürgerwehren befindet sich der burkinische Staat derzeit vor einem Dilemma. Einerseits haben die staatlichen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte seit langem zu wenig Personal. Daher unterstützt der Staat Formen lokaler Selbstregelung für Sicherheitsfunktionen. Andererseits destabilisieren die Bürgerwehren das Gewaltmonopol des Staates. Sie treiben willkürlich festgesetzte Geldstrafen ein, wenden Körperstrafen und Folter an und tragen trotz eines Verbotes Feuerwaffen. Darüber hinaus kommt es zu Konfrontationen zwischen dozo und koglweogo. In der Öffentlichkeit und den Medien findet daher zurzeit eine Kontroverse über die Bürgerwehren statt.ieses Teilprojekt fragt, ob die Regelungsangebote und -interventionen von Bürgerwehren substitutiv, subsidiär, komplementär oder konträr zum Staat erfolgen. Konstituieren Bürgerwehren neue Formen von Mächten ‚neben dem Staat‘ oder von Zivilgesellschaft? Wie verhalten sich die untersuchten Bürgerwehren zueinander und zu staatlichen Sicherheitskräften? Das Teilprojekt fragt auch nach der internen Organisation der Bürgerwehren, nach den konkreten Sicherheitsfunktionen, die sie im jeweiligen Kontext ausüben, wie sie ihre Aktivitäten legitimieren und inwiefern sie vor Ort als ‚lokal‘ und legitim anerkannt werden. Ziel ist ein differenziertes Verständnis der Anlässe, Formen und Legitimationen lokaler Selbstregelung und -organisierung innerhalb eines postkolonialen afrikanischen Nationalstaats, der den Regelfall schwacher Staatlichkeit repräsentiert, von dem die Forschungsgruppe ausgeht. Die empirischen Fallstudien tragen zur Schärfung oder Modifikation von Konzepten wie ‚schwacher Staat‘, Governance, Zivilgesellschaft und Vigilantismus bei.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
Ehemaliger Antragsteller Professor Dr. Dmitri van den Bersselaar, von 10/2019 bis 11/2020
 
 

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