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Politik in der doppelten Hauptstadt Berlin 1867-1918. Wechselwirkungen, Verflechtungen und Interferenzen zwischen preußischer und Reichspolitik vom Norddeutschen Bund bis zum Ende des Kaiserreichs
Antragstellerin
Professorin Dr. Ute Daniel
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2018 bis 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 410964168
„Unitarisierung“, „Sonderweg“, „preußisch-deutscher Dualismus“ – unter diesen Stichworten wurde in der alten Bundesrepublik die Frage diskutiert, wer die Kaiserreichspolitik 1871-1918 dominierte: Preußen oder das Reich. Da die damaligen erinnerungspolitisch geprägten Antworten heute nicht mehr befriedigen, soll die Frage mit einem kulturgeschichtlichen Ansatz neu bearbeitet werden.Wer verstehen will, wie eigentlich im Norddeutschen Bund und im Kaiserreich 1867-1918 von wem mit welchen Praktiken und Effekten Politik gemacht, wie also letztlich in diesen Jahrzehnten regiert wurde, steht ungeachtet der historiografischen Präsenz des Preußenthemas vor einem sehr unbefriedigenden Forschungsstand. Denn die Geschichtsschreibung zur Geschichte Preußens im Norddeutschen Bund bzw. im Kaiserreich oszilliert zwischen zwei geschichtspolitisch aufgeladenen Polen: auf der einen Seite – der an der Vorstellung eines deutschen „Sonderwegs“ orientierten Sichtweise – dominierte Preußen die Politik im Kaiserreich und führte die deutsche Geschichte damit Richtung Weltkrieg und „Drittes Reich“; auf der anderen Seite – der an der Vorstellung einer „Verreichlichung“ bzw. „Unitarisierung“ der preußischen Politik orientierten Sichtweise – ging Preußen im Lauf der Jahre 1871-1918 im Reich auf, verschwand also der preußisch-deutsche Dualismus und hatte Preußen an den negativen Entwicklungspfaden der deutschen Geschichte keinen Anteil. Mit einem kulturgeschichtlichen Ansatz soll die preußisch-deutsche Politikgeschichte der Kaiserreichszeit neu bearbeitet werden, um die Frage beantworten zu können, wie nun eigentlich 1871 (und bereits zuvor im Norddeutschen Bund) regiert wurde. Zu diesem Zweck sollen die postulierten Akteurseinheiten „das Reich“ und „Preußen“ dekonstruiert und durch die praktisch-politischen Wechselwirkungen, Verflechtungen und Interferenzen ersetzt werden, die für die damaligen Akteure und für die sich herausbildenden politischen Strukturen entscheidend waren. Auf dieser Grundlage soll die praktisch-politische Realität der doppelten Hauptstadt Berlin – zu der neben den Institutionen der Exekutive Preußens und des Reichs auch zwei Parlamente und die in ihnen vertretenen Parteien gehörten, deren Rolle in der Politikgestaltung des Kaiserreichs bisher unterbelichtet ist – abgebildet und analysierbar gemacht sowie die wichtigsten Bedingungen – auch solche kontingenter Art – für politisches Handeln oder dessen Verhinderung identifiziert werden. Daraus sollen neue Kriterien für Kontinuitäten und Zäsuren der Politikgeschichte des Kaiserreich gewonnen werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen