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Perzeptuelle Entscheidungsfindung unter wechselnden Vorannahmen
Antragsteller
Professor Dr. Andreas Heinz, seit 5/2022
Fachliche Zuordnung
Kognitive und systemische Humanneurowissenschaften
Klinische Psychiatrie, Psychotherapie und Kinder- und Jugendspychiatrie
Klinische Psychiatrie, Psychotherapie und Kinder- und Jugendspychiatrie
Förderung
Förderung von 2018 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 407062764
Perzeptuelle Entscheidungen unterliegen dem Einfluss von Vorannahmen, welche die Selektion sensorischer Daten bestimmen. Dieses selektive "Sampling" sensorischer Daten wird im Rahmen der Theorie der hierarchischen Vorhersagekodierung (predictive coding) als ein Inferenzprozess verstanden, bei dem die Zustände der Welt aus den sensorischen Daten anhand von Vorannahmen abgeleitet werden. Dieser Prozess kann als Bayesianische Inferenz modelliert werden, wobei perzeptuelle Entscheidungen aus einer Kombination probabilistischer Vorannahmen und sensorischer Daten resultieren und Vorannahmen von höheren hierarchischen Ebenen durch Feedback an niedrigere Ebenen vermittelt werden. Falls die sensorischen Daten nicht mit den aktuellen Vorannahmen übereinstimmen, werden diese durch ein Vorhersagefehlersignal korrigiert. Es wird davon ausgegangen, dass das Feedback von Vorannahmen zu einem selektiven Sampling erwarteter Reizmerkmale führt. Bis jetzt ist jedoch unklar wie solche Vorannahmen einer sich dynamisch ändernden Umgebung angepasst werden und wie sich dies auf das selektive Sampling sensorischer Daten auswirkt. Um dynamischen Veränderungen der Umwelt gerecht zu werden, müssen die Vorannahmen bezüglich deren Zustand durch übergeordnete Annahmen bezügliche der Volatilität der Umwelt angepasst werden. Dieser Aspekt perzeptueller Inferenz ist besonders bedeutsam vor dem Hintergrund aktueller neurocomputationaler Modelle der Schizophrenie, die deren Symptome als eine Folge gestörter neuronaler Inferenzprozesse erklären. Diese führen zu gesteigerten Vorhersagefehlersignalen, die ansonsten irrelevante sensorische Ereignisse mit Bedeutung aufladen und so zur Entstehung wahnhafter Überzeugungen führen können. Die charakteristische Unkorrigierbarkeit von Wahn könnte durch eine übergeordnete Annahme einer geringen Volatilität der Umwelt erklärt werden. Im beantragten Projekt planen wir die neuronalen Mechanismen zu untersuchen, die dem Einfluss von Vorannahmen auf selektives Sampling sensorischer Information und der Modulation dieser Prozesse durch übergeordnete Annahmen über die Volatilität der Umwelt zugrunde liegen. Das Verständnis dieser Prozesse soll durch die Untersuchung der neuronalen Mechanismen selektiven Samplings bei Patienten mit Schizophrenie als Modell dysfunktionaler Inferenzprozesse vertieft werden. Wir planen mit Hilfe von Verhaltensexperimenten, funktioneller Magnetresonanztomographie und mathematischer Modellierung mit einem Bayesianischen Modell zu erforschen (1) wie durch audiovisuelles Lernen akquirierte Vorannahmen das selektive neuronale Sampling in einer Bewegungsdiskriminationsaufgabe beeinflussen; (2) wie der Einfluss dieser Vorannahmen auf selektives Sampling durch experimentell induzierte Veränderungen der Umweltvolatilität moduliert wird; und (3) wie der Einfluss von Vorannahmen und dessen Modulation durch Umweltvolatilität im Zusammenhang mit Wahn und anderen psychotischen Symptomen bei Menschen mit Schizophrenie verändert ist.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Ehemaliger Antragsteller
Professor Philipp Sterzer, Ph.D., bis 4/2022