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Kartographie als Übersetzung. Kartenproduktionen französischer ‚Lehnstuhlgeographen‘ des 18. Jahrhunderts
Antragstellerin
Professorin Dr. Renate Dürr
Fachliche Zuordnung
Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung
Förderung von 2018 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 404839432
Die einflussreichen französischen Geographen Guillaume Delisle (1675-1726), Philippe Buache (1700-1773) und Jean-Baptiste Bourguignon d’Anville (1697-1782) bezeichneten sich selbst als 'géographes de cabinet'. Ihnen war gemeinsam, dass sie ihre Karten auf der Grundlage umfangreicher Quellensammlungen anfertigten, statt die zu kartierenden Länder zu bereisen und zu vermessen. Die Arbeit der Geographen bestand zunächst im Sammeln von Informationen und Dokumenten verschiedener Art, darunter Karten, Reiseberichte, Geschichtswerke, Briefe, Tabellen und mündliche Aussagen von Reisenden, zu denen sie in persönlichem Kontakt standen. In einem weiteren Schritt werteten sie die gesammelten Quellen kritisch aus, indem sie diese verglichen, gegeneinander lasen und kombinierten. Hierbei spielten Übersetzungsprozesse auf verschiedenen Ebenen eine wichtige Rolle: Erstens mussten fremdsprachliche Texte, Namen und Begriffe, beispielsweise aus dem Lateinischen oder Spanischen, ins Französische übersetzt werden. Zweitens mussten Daten aus unterschiedlichen zeitlichen Epochen miteinander in Einklang gebracht werden, wobei ältere Darstellungen neueren Kenntnissen entsprechend übersetzt wurden. Drittens waren intersemiotische Übersetzungen vonnöten, denn das ausgewertete geographische Wissen stammte aus unterschiedlichen Medien, die zunächst in eine gemeinsame ‚kartographische Sprache‘ übertragen werden mussten. Viertens war es notwendig, Wissen, das aus spezifischen lokalen Kontexten stammte, beispielsweise aus der Mission, den Interessen und Ansprüchen der französischen Geographen und ihrer Auftraggeber anzupassen. Hierbei war insbesondere die Übersetzung indigenen Wissens eine Herausforderung für die Geographen. Im Rahmen des Projekts sollen Übersetzungsprozesse in französischen Kartenproduktionen des 18. Jahrhunderts untersucht werden. Hierzu werden in Pariser Archiven die Materialsammlungen, Korrespondenzen und Mémoires der genannten ‚Lehnstuhlgeographen‘ Delisle, Buache und d’Anville ausgewertet. Vorrangiges Ziel ist es, mit dem Schwerpunkt auf Übersetzungsprozessen in der Kartographie die Komplexität der in den Kartenproduktionen angewandten Kulturtechniken aufzuzeigen. Diese Komplexität gerät bislang durch die oftmals einseitige Konzentration auf mathematische und technische Faktoren vorschnell in den Hintergrund. Kartographie soll dabei nicht als ein von anderen Formen der Wissensproduktion generell getrennter Bereich verstanden werden, sondern als Bestandteil übergreifender frühneuzeitlicher Übersetzungskulturen.
DFG-Verfahren
Schwerpunktprogramme
Teilprojekt zu
SPP 2130:
Übersetzungskulturen der Frühen Neuzeit