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Policing als Kategorisierungspraxis - Wechselseitige Zuschreibungen bei Kontrollhandlungen im öffentlichen Raum

Antragsteller Dr. Jan Beek
Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung seit 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 404113487
 
In der Folge der Ermordung von George Floyd, der Black Lives Matter Bewegung und der Aufdeckung von WhatsApp-Chatgruppen bei mehreren Landespolizeien ist Rassismus zu einem Schlüsselbegriff geworden, mit der die Polizei in der Bundesrepublik assoziiert wird. Insbesondere gewalttätige Konflikte zwischen Polizist*innen und feiernden Jugendlichen an sog. „Brennpunkten“ werden im Kontext von Migration oder rassistischer Polizeipraktiken diskutiert. Das Projekt wird ethnographisch erforschen, wie sich Akteur*innen in alltäglichen Policing-Interaktionen, also bei Kontroll- und Überwachungshandlungen im öffentlichen Raum, wechselseitig kategorisieren und welche Auswirkungen die jeweiligen Kategorien auf die Interaktionen haben. Mit dieser Fragestellung erweitert das Projekt öffentliche und wissenschaftliche Diskurse in zwei Richtungen: Statt einen oft verengten Blickwinkel auf die Polizei einzunehmen, untersucht das Projekt auch die städtischen Ordnungsbehörden, private Sicherheitsdienste, Gewerbetreibende, Anwohner*innen und nicht zuletzt die Jugendlichen selbst als handlungsmächtige Akteur*innen, die alle auch Policing praktizieren oder abwehren. Zweitens gibt dieser Forschungsansatz die entscheidenden Differenzkategorien nicht vor. Denn obwohl Rassifizierung, Ethnisierung und Kulturalisierung wichtige Praxis aller beteiligten Akteur*innen ist, sind Alter, Devianz, Geschlecht, soziale Schicht, Religion, rechtliche Unterscheidungen, regionale Herkunft, Sprachkompetenz und andere Kategorien nicht weniger handlungsrelevant und untrennbar mit den vorher genannten verknüpft. Die Operationalisierung dieser Ansätze erfolgt per vergleichender ethnographischer Forschung im Team an zwei – von den Akteur*innen einschließlich der Medien so definierten -- Brennpunkten im erweiterten Rhein-Mainz-Gebiet. Feldforschung bei sich voneinander abgrenzenden, sich misstrauenden und in asymmetrischen Machtbeziehungen aufeinander bezogenen Akteursgruppen ist nur im Team möglich, bei der einzelne Feldforscher*innen je spezifische Akteursgruppen teilnehmend beobachten. Damit leistet das Projekt einen Beitrag zur Erweiterung des Methodenspektrums der Ethnologie. “Policing als Kategorisierungspraxis” zielt darauf ab, ein öffentlich und in der Wissenschaft vieldiskutiertes Thema auf innovative Weise zu erforschen, um daraus Beiträge für Polizei-, Sicherheits-, Staats-, und Migrationsforschung zu entwickeln. Das Projekt hat das Potential, diese Forschungsfelder zu erweitern und zu „ethnologisieren“: durch Erkenntnisse und Begriffe, die auf empirischer Basis im Globalen Süden entwickelt wurden; durch ethnographische Sensibilität, die Handeln im Kontext, emische Begriffe und unterschiedliche Sichtweisen entwickelt; und durch eine offene und reflektierte Positionierung der epistemologischen Äquidistanz, die Widersprüche nicht auflöst, sondern aufzeigt.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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