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Vom ‚gesellschaftlichen Blick‘ zu bürokratischen Standards: Die Artikulation von Rasse in brasilianischen Affirmative-Action-Maßnahmen
Antragstellerin
Professorin Dr. Katharina Schramm
Fachliche Zuordnung
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung
Förderung von 2018 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 399049116
Das Projekt analysiert die Klassifikation von Rasse im Kontext brasilianischer Affirmative-Action-Maßnahmen. Anhand jüngst eingeführter Bewertungsverfahren im öffentlichen Dienst fragen wir, wie im Rahmen von bürokratischem, administrativem und rechtlichem Handeln Rasse als Differenzkategorie etabliert und relevant gemacht wird. Dazu untersuchen wir die Artikulation von Rasse in drei Settings: in Bewertungsverfahren, in denen die Selbstklassifikation von BewerberInnen auf Quotenplätze 'verifiziert' wird; in Regierungsinstitutionen, die für die Etablierung der entsprechenden Standards zuständig sind; in juristischen Fällen, in denen QuotenbewerberInnen Einspruch gegen die Ablehnung ihrer Selbstklassifikation als 'schwarz' einlegen. Es geht uns nicht darum, ob die BewerberInnen 'korrekt' klassifiziert werden, sondern uns interessiert die Wirkweise des 'gesellschaftlichen Blicks', der die Wahrnehmung von Rasse in Brasilien vermeintlich strukturiert und mit dem die Beurteilungskommissionen die BewerberInnen betrachten sollen. Folgende Forschungsfragen sind dabei relevant:1) Wie wird jener 'gesellschaftliche Blick' in den Beurteilungsverfahren umgesetzt und operationalisiert?2) Wie übersetzen staatliche und quasi-staatliche Institutionen diesen 'gesellschaftlichen Blick' in bürokratische Standards?3) Wie wird Evidenz für die Entscheidungen der Kommissionen hergestellt? Was zählt als Beweis?Wir arbeiten mit theoretischen Ansätzen, die betonen, dass Objekte erst durch konkrete Praktiken, die sie hervorbringen, aufrechterhalten und stabilisieren, relevant werden. Hauptziel des Projekts ist es, ein ethnographisch fundiertes Verständnis davon zu gewinnen, wie Rasse in Affirmative-Action-Praktiken in Brasilien artikuliert wird. Methodisch arbeiten wir mit folgenden Strategien: a) stille Beobachtung von Bewertungskommissionen, b) Interviews, informelle Gespräche und Shadowing von Kommissionsmitgliedern und Angestellten der jeweiligen Institutionen, c) teilnehmende Beobachtung von Fortbildungen für die Mitglieder der Bewertungskommissionen, d) Dokumentenanalyse von juristischen Fällen und Regierungsrichtlinien. Dabei besteht das übergeordnete Forschungsziel darin, zu lernen, wie die verschiedenen Akteure die Beurteilungspraktiken und die Klassifizierung von Rasse durchführen und beschreiben und nicht, diese Arbeit politisch oder moralisch zu beurteilen.Durch die Verknüpfung von postkolonialen Ansätzen innerhalb der Science and Technology Studies mit Forschungen über Klassifikationspraktiken, Bürokratie und Staatsbürgerschaft leistet das Projekt einen Beitrag zur ethnologischen Erforschung der Differenzkategorie Rasse. Darüber hinaus bieten wir eine neue Perspektive auf Affirmative Action in Brasilien (sowie in vergleichbaren Settings), indem wir auf die konkreten Kategorisierungspraktiken fokussieren und das bürokratische Handeln sowie die Bewertungsverfahren in diesem Feld ethnographisch analysieren – ein Aspekt, der bislang kaum untersucht wurde.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen