Neuronale Mechanismen, State Effekte und Trait Korrelate meditationsinduzierter Veränderungen des Selbsterlebens
Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Kognitive und systemische Humanneurowissenschaften
Sozialpsychologie und Arbeits- und Organisationspsychologie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Eine allgegenwärtige Eigenschaft subjektiven menschlichen Erlebens scheint das wahrnehmende, denkende, fühlende und handelnde Subjekt zu sein, welches mit einer persönlichen Identität und persönlichem Narrativ verknüpft ist. Aktuelle Konzeptualisierungen dieses vielseitigen Phänomens konvergieren in Bezug auf eine duale Differenzierung: Das sogenannte minimale Selbst beschreibt das unmittelbare erlebende Subjekt, welches als Eigentümer des Körpers und als Urheber von Gedanken und Handlungen erlebt wird. Das narrative Selbst wiederum beinhaltet ein abstrakteres Wissen davon was es bedeutet „Ich“ zu sein. Während Störungen des Selbsterlebens verschiedenen psychischen Erkrankungen zugrunde liegen, wird auch angenommen, dass eine Veränderung im Selbst einen zentralen Mechanismus darstellt, welcher positive Effekte von Achtsamkeitsmeditation auf das Wohlbefinden sowie auf soziale Fähigkeiten erklären könnte. Um zu einem umfassenderen mechanistischen Verständnis dieser Prozesse beizutragen, wurden in diesem Projekt meditationsinduzierte Veränderungen im Selbsterleben untersucht, sowie Trait-Unterschiede selbst-referentieller Prozesse und deren Zusammenhang zu Achtsamkeit und sozialen Fähigkeiten. Zur Untersuchung meditationsinduzierte Veränderungen im Selbsterleben konnte eine Stichprobe von 46 Langzeitmeditierenden gewonnen werden. Die Teilnehmer erhielten zusätzlich ein spezielles 3-wöchiges Meditationstraining, welches sowohl die Auflösung als auch die Stärkung des gewöhnlichen Selbsterlebens in der Meditation schulte. Magnetoencephalographische Messungen der Gehirnaktivität (MEG) wurden durchgeführt während die Probanden das Selbsterleben in beide Richtungen beeinflussten. Anschließend wurden phänomenologische Interviews durchgeführt und Fragebögen appliziert, um tatsächlich erfolge Veränderungen im Selbsterleben abzubilden. Zusätzlich zu kontinuierlichen MEG Messungen wurden Paradigmen zur Messung ereigniskorrelierte Felder implementiert, welche spezifische, vermutlich dem minimalen Selbsterleben zugrunde liegende Prozesse messen. Dazu gehörten Messungen sensorisch evozierter Reaktionen auf selbst ausgelöste Stimuli, multisensorische Integration im körpernahen Raum sowie Herzschlag-korrelierte Reaktionen, welche interozeptive Integrationsprozesse abbilden. In Pilotmessungen konnten diese Paradigmen erfolgreich getestet werden. Außerdem wurde das Vorgehen bei Messung und Auswertung online im Verzeichnis des Open Science Framework registriert. Erste Ergebnisse aus den phänomenologischen Interviews bestätigen, dass die Teilnehmer in der Lage waren, das Selbsterleben in unterschiedlich starkem Ausmaß zu beeinflussen. Interessanterweise wurden dabei unterschiedliche mentale Techniken verwendet und es zeigten sich qualitativ unterschiedliche Ausprägungen in diesen Veränderungen. In Bezug auf Trait-Unterschiede selbst-referentieller Prozesse und deren Zusammenhang zu Achtsamkeit und sozialen Fähigkeiten wurde im Kontext einer Studie zur Anwendung von Achtsamkeit im Schulkontext in einer Stichprobe von 25 Lehrern ein behavioraler Test zur Messung selbstreferentieller Prozesse und ein Achtsamkeitsfragebogen zu interpersonaler Achtsamkeit angewendet. Desweiteren wurden selbst-referentielle Prozesse sowie Mitgefühl in einer Stichprobe von 80 Studenten gemessen. Außerdem wurde die erstgenannte Studie an Langzeitmeditierenden erweitert, um den Zusammenhang zwischen meditationsbasierter Plastizität im Selbsterleben sowie sozialen Fähigkeiten zu messen. Die quantitative und qualitative Auswertung der Daten ist momentan im Gang. Im Rahmen des Forschungsaufenthalts konnte außerdem zu verschiedenen theoretischen Arbeiten beigetragen werden. Zusammen mit Millière und Kollegen wurden Effekte psychedelischer Substanzen mit meditationsinduzierten Effekten auf das Selbsterleben verglichen. Außerdem wurde das theoretische Modell, welches dem mechanistischen Verständnis meditationsinduzierter Veränderungen in diesem Forschungsvorhaben zugrunde lag, im Rahmen des Predictive Processing Paradigmas weiterentwickelt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2018). Psychedelics, Meditation and Self-Consciousness. Frontiers in Psychology, 9, 1475
Millière, R., Carhart-Harris, R. L., Roseman, L., Trautwein, F.-M., & Berkovich-Ohana, A.
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(2019). “The Sense of Boundaries in Meditation.” Open Science Framework. May 6
Berkovich-Ohana, A., Schweitzer Y., Trautwein, F.-M., Dor-Ziderman, Y., Nave, O., & Ataria, Y.