Generalpläne. Internationale städtebauliche Wettbewerbe und die Neuerschaffung der Stadt, 1890 bis 1930
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Internationale Wettbewerbe zur Gesamtplanung der Stadt und ihrer Region erlebten an der Wende zum 20. Jahrhundert eine beispiellose Hochphase. Erstmals hat das DFG-Projekt dieses historische Phänomen systematisch erforscht – mit Schwerpunkt auf den Verfahren für Berlin (1908/10), Canberra (1911/12), Paris (1919/20) und Ankara (1927/29). Die entstandene Studie untersucht die infrastrukturellen, sozialen und kulturellen Bedingungsfaktoren der Verfahren; die konkreten Abläufe und die dabei ausgetragenen Interessenkämpfe; die Rolle grenzüberschreitender Transfers und internationaler Netzwerke; die verschiedenen Transformationen, die städtische Räume im Anschluss an die Verfahren erfuhren. Dabei rücken immer wieder Prozesse und Konstellationen in den Blick, die gleichermaßen mitund gegeneinander funktionierten. Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich auf der höheren Abstraktionsebene der Arbeit. Denn die Versuche, über städtebauliche Wettbewerbe zu „Generalplänen“ zu gelangen, die Städte und Stadtgesellschaften in die Zukunft führen sollten, waren auch in ideengeschichtlicher Hinsicht ambivalent: Sie brachten zeitgenössische Integrations- und Fragmentierungstendenzen in komplizierte Wechselverhältnisse. Die Studie bestätigt all jene Deutungsansätze, die die Jahrzehnte um 1900 als Auftakt einer Epoche autoritärer Ordnungsentwürfe fassen, und legt drei Erweiterungen nahe. Erstens waren translokale, transnationale Wechselwirkungen und Beobachtungen wesentlicher Bestandteil dessen, was die Zeitgenossen als problematisch empfanden – und was sie als Lösungswege in den Blick nahmen. Zweitens kam dabei Konkurrenzwahrnehmungen überragende Bedeutung zu. Die Neuanlage der Stadt und ihrer Region war, so die Wahrnehmung, wesentliches Element einer von Konkurrenz geprägten Welt. Auf diese Weise etablierte sich drittens Städtebau als Handlungsfeld, auf dem sich praktisch erproben ließ, wie gesellschaftliches Zusammenleben durch die Neugestaltung des Raums andere Formen annehmen konnte. Mit dem „Generalplan“ lieferte dieses Handlungsfeld gleichermaßen den Begriff wie die Ideen und Instrumente, die in der Raum- und Bevölkerungsplanung der 1930er und 1940er Jahre eine zentrale Rolle spielen sollten. Cosima Götz, Vor 120 Jahren: Die Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft wollte ein anderes Großstadtleben, Erstausstrahlung am 08.09.2021 im Deutschlandfunk (Reihe „Kalenderblatt“)
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Der „Wettbewerb Groß-Berlin“, vor Ort und in der Welt, in: Joseph Hoppe/Heike Oevermann (Hrsg.), Metropole Berlin. Die Wiederentdeckung der Industriekultur, Berlin 2020, S. 173–185
Cosima Götz