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Kiez in der Tourismusfalle? Eine Untersuchung zur Veränderung von Wohnqualität durch touristische Übernachtungsmöglichkeiten in ausgewählten Berliner Wohnquartieren

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Accounting und Finance
Förderung Förderung von 2017 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 390780401
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt verfolgte durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Stadt-/Tourismussoziologie und Immobilienwirtschaft sowie durch einen Mixed-Method-Ansatz das Ziel, die Einflüsse von Tourismus auf die wahrgenommene Wohnqualität von Anwohner:innen in vier ausgewählten Berliner Kiezen/LOR (Lebensweltlich orientierte Räume) aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und die Ergebnisse sowohl kiezintern als auch kiezübergreifend zu vergleichen. Dabei erwies sich insbesondere der Ansatz der wahrgenommenen Wohnqualität und ihrer Ausprägungen auf den Ebenen Wohnung – Haus – Kiez/LOR als interdisziplinär fruchtbar. Die im Projekt gewonnenen Daten aus einer Medienanalyse, der Analyse der Wohnungsmarktstatistik, der Kartierung des Wandels von Gewerbe- und Dienstleistungsinfrastrukturen sowie aus Interviews mit Stakeholder:innen und Anwohner:innen in den vier untersuchten Berliner LOR wurden dazu genutzt, Gemeinsamkeiten und Widersprüche aufzudecken und die Bewertungen, Erklärungsansätze und Sinnzuschreibungen von Anwohner:innen hinsichtlich der Veränderung ihrer Wohnqualität, insbesondere hinsichtlich des Einflusses von Tourismus, zu validieren und zu interpretieren. Das Projekt strebte somit einen Informations- und Erkenntnisgewinn auf mehreren Ebenen an: Beobachtungen auf der Mikroebene, also der individuellen Wahrnehmungen von Anwohner:innen, wurden mit Analysen auf der Mesoebene, die im vorliegenden Projekt das Wohnquartier (Kiez/LOR) darstellte, verknüpft. Zudem wurden die gesamtstädtischen Diskurse zu Tourist:innen und zur Mietpreisentwicklung (Makroebene) zu den Wahrnehmungen der Wohnqualität der Anwohner:innen in Beziehung gesetzt. Insbesondere bei der gemeinsamen Betrachtung von Mikro- und Makroebene ließen sich Diskrepanzen zwischen dem gesamtstädtischen, medial vermittelten Diskurs und den individuellen Aussagen zum Einfluss von Tourismus auf Wohnqualität feststellen. So wurden negative Veränderungen der lokalen Wohnqualität von Anwohner:innen weniger auf die Tourismusentwicklung zurückgeführt als es die mediale Berichterstattung vermuten ließe. Im LOR Scharnweberstraße wurden Tourist:innen regelrecht herbeigesehnt, während in touristisch stark frequentierten LOR vor allem bestimmte Gruppen von Neu-Zugezogenen und Besucher:innen (bestimmte Ausländer:innen und/oder Personen mit einem freizeit- und konsumorientierten Lebensstil) als „problematisch“ für die Stabilität der Wohnqualität betrachtet wurden. Die Betrachtung der Wohnungsmarktentwicklung zeigt zwar stärkere Mietpreissteigerungen in den touristisch nachgefragten Untersuchungsgebieten, jedoch ließ sich keine eindeutige Relation zwischen Ferienwohnungsvermietung und Mietenentwicklung nachweisen, da andere Faktoren wie eine erhöhte Nachfrage nach zentralen Wohnlagen und hochwertige Sanierungs- und Neubauprojekte in Verbindung mit den gesamtstädtischen Einflüssen von Zuzug und Einkommenszuwachs den Einfluss der touristischen Zweckentfremdung von Wohnraum dominierten. Bei der Untersuchung der lokalen Versorgungsinfrastruktur erwies es sich als schwierig, zwischen lokalem und touristischem Bedarf klar zu unterscheiden. Die Zusammenschau von Kartierungsdaten und Anwohner:inneninterviews zeigte, dass die touristische Nachfrage häufig als notwendig für das Überleben bestimmter, auch von Anwohner:innen geschätzter Einrichtungen (Restaurants, bestimmte Läden) empfunden wurde. Andererseits wurde der Verlust von Einrichtungen des täglichen Bedarfs im Kiez von Anwohnenden nicht auf die verstärkte Präsenz von Touristinnen, sondern bestimmter Lebensstilgruppen zurückgeführt. Der Fokus auf die von Anwohner:innen wahrgenommene Wohnqualität hat gezeigt, dass diese subjektiv und situativ bewertet und von vielfältigen Einflussfaktoren abhängig ist. Für Wohnqualität sind demnach der Schutz des Wohnumfeldes vor zu starkem und raschem Wandel sowie der individuelle Schutz vor Verdrängung aus dem Wohnumfeld von großer Bedeutung. Tourist:innen sind dabei nur eine Gruppe unter vielen, die zu Verdrängung und Wandel (im Sinne von Gentrifizierungsprozessen) beitragen können. Die für diese dynamischen Entwicklungen sensibilisierten Beschreibungs- und Analysekategorien von Wohnqualität werden in einer Abschlusspublikation veröffentlicht.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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