Zuwanderungsstrategien - Planungspolitiken der Regenerierung von Städten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Projektergebnisse zeigen die Chancen und Grenzen der proaktiven Anwerbung von Zuwanderung durch die Planungspolitiken von Städten auf. Es wird anhand von sechs empirischen Fallstudien in kleinen Großstädten und Mittelstädten in Deutschland belegt, dass der demografische Wandel, der Fachkräftebedarf der Wirtschaft und der „Wettbewerb um die besten Köpfe“ wichtige Treiber für die Herausbildung von Zuwanderungspolitiken auf der lokalen Ebene sind. Hinter diesen Treibern steht bei den meisten Städten das kommunalpolitische Ziel eines Wachstums der Einwohnerzahlen, auch wenn die lokalen Wohnungsmärkte durch Zuwanderung bereits angespannt sind. Dabei handelt es sich um ein neues Politikfeld in den Städten, das in der Praxis bisher nur in Ansätzen etabliert ist. Empirisch belegt lassen sich bei der Herausbildung lokaler Zuwanderungspolitiken vor allem Zuzugskonzepte für einkommensstärkere Gruppen auf dem Wohnungsmarkt, Konzepte der Fachkräfteanwerbung auf dem Arbeitsmarkt und Konzepte zum Zuzug von Studierenden auf den Ausbildungsmärkten unterscheiden. Die Probleme und Grenzen der lokalen Steuerung von Zuwanderung werden aber in den Fallstudien ebenso deutlich. Hemmnisse liegen vor allem in der Bildung von Governance-Kapazitäten zwischen Verwaltung, Politik, Wirtschaft und BürgerInnen, die sehr voraussetzungsvoll sind. Die Ergebnisse des Projektes stellen den Kooperations-Optimismus der bisherigen Governanceforschung in Frage und lenken den Blick auf die vielfältigen Konflikte zwischen den Akteuren. Ein überraschender Befund war, dass Zuwanderungs- und Integrationspolitiken weitgehend getrennte Politikbereiche und Handlungsfelder in den Fallstädten darstellen, deren konzeptionelle Verzahnung noch nicht den Erwartungen entspricht, die aus dem Stand der Forschung abgeleitet werden konnten. Eine Ausnahme bildet die Stadt Ravensburg. Ein weiterer überraschender Befund war, dass Formen des Rechtspopulismus bzw. Rechtsextremismus, die in der Migrationsforschung in den letzten Jahren breit diskutiert werden, in der Kommunalpolitik der Fallstädte als Akteure nicht stark genug erschienen, um Proteste gegen internationale Migration zu initiieren und Abwehr- Koalitionen gegenüber Geflüchteten zu bilden. Damit bestätigt sich auf der lokalen Ebene nicht das sogenannte „liberale Paradoxon“, wonach die Wirtschaftsunternehmen zur Arbeitskräftesicherung besonders offen gegenüber internationalen Migration sind, während Teile der ArbeitnehmerInnen, Gewerkschaften und Parteien eher an einer Abschottung der Arbeitsmärkte und Schließung staatlichen Grenzen interessiert sind. Die befragten Akteure in den Städten sehen rechtsextreme Fremdenfeindlichkeit eher im Umland der Städte als in den Städten selbst. Diese Aussagen konnten mit den eingesetzten Methoden nicht ausreichend und gründlich genug überprüft werden, lassen sich ggf. mit der spezifischen Auswahl der Städte erklären. Auf konzeptioneller Ebene stellte die oben bereits erwähnte Infragestellung des Kooperation-Optimismus der bisherigen Governanceforschung einen unerwarteten, sehr fruchtbaren Impuls für die Forschung dar.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2018): Immigration strategies of cities. Local growth policies and urban planning in Germany. In: European Planning Studies, Jg. 26 (9), S. 1747–1762
Kühn, M.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1080/09654313.2018.1484428) - (2019): Zuwanderung und Stadtpolitik - Immigration and Urban Policy (Special Issue). In: disP: The Planning Review, 55, 3
Kühn, M. & Münch, S. (Hrsg.)
(Siehe online unter https://doi.org/10.1080/02513625.2019.1671017) - (2019): Zuwanderungspolitik - ein neues kommunales Aufgabenfeld? In: disP: The Planning Review. 55, 3, S. 22-30
Kühn, M. & Münch, S.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1080/02513625.2019.1670984) - (2020): Fallstudienreports im Rahmen des DFG-Projekts „Zuwanderungsstrategien“ für die Städte Göttingen, Ravensburg und Wismar“. IRS-Dialog Forschungsbericht 3/2020
Nettelbladt, G.
- (2020): Fallstudienreports im Rahmen des DFG-Projekts „Zuwanderungsstrategien“ für die Städte Jena, Brandenburg/Havel und Bamberg“. IRS-Dialog Forschungsbericht 3/2020
Boeth, H.
- (2020): Reurbanisierung in Mittelstädten: Prozesse und Planungspolitiken am Beispiel von Brandenburg/Havel. BBSR-Online Publikation (1), S. 56–69
Boeth, H.
- (2020): Steuerungsmöglichkeiten öffentlicher Akteure zur Reurbanisierung von Mittelstädten. Eine Analyse am Beispiel Bambergs. Raumforschung und Raumordnung | Spatial Research and Planning, Jg. 78 (6), S. 521–535
Boeth, H.
(Siehe online unter https://doi.org/10.2478/rara-2020-0024) - (2020): Zuwanderungspolitiken: Lokale Koalitionen in Hochschulstädten. In: Neue Koalitionen - alte Probleme: Lokale Entscheidungsprozesse im Wandel. Egner, B. & D. S. (Hrsg.). Wiesbaden: Springer VS, S. 153-180 (Stadtforschung aktuell)
Kühn, M., Boeth, H. & Nettelbladt, G.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-28452-7_8) - (2021): Reurbanisierungsprozesse in Mittelstädten. Analyse und Implikationen für die Planungspraxis, in: PLANERIN 5_21, S. 43-44
Boeth, H.
- (2021): Zuwanderung in Städte: Chancen und Grenzen der planerischen Steuerung. In: disP: The Planning Review. disP 224, 57.1, S. 18-35
Kühn, M.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1080/02513625.2021.1945818)