PASTICCIO - Dimensionen des Arrangierens erfolgreicher Opern
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Projektgruppe erzielte sowohl im Bereich der Kulturgeschichte der Musik als auch in der digitalen Musikedition bzw. digitalen Musikwissenschaft große wissenschaftliche Fortschritte. Auf musik- und kulturhistorischer Ebene wurde anhand der Erforschung von Begriffsgeschichten, Opernästhetiken und Netzwerken eine neue Perspektive auf die Mobilität von Musiker:innen und den Transfers von Musik bzw. genauer: Opern und Opernarien im 18. Jahrhundert entwickelt, innerhalb derer sich weiterführende geographische, ästhetische und politische Zusammenhänge zeigten. Eine zukünftige Erforschung kann aufgrund des neu erzielten Forschungsstands bei europaweiten ästhetischen Transfers zwischen einzelnen Musikmetropolen ansetzen, die auch aktiv von einzelnen Komponist:innen zur Entwicklung eines eigenen Kompositionsstils bzw. einer möglichst perfekten Oper genutzt wurden. In Bezug auf die digitale Musikedition erreichte das Projekt – neben mannigfaltigen Visualisierungen der gesammelten Daten zu Sänger:innen, Opernhäusern und Arien – die Verlinkung von Forschungsdaten der Projektdatenbank mit der Editionsplattform Edirom. Mit den neuen Editionen und den als Einstieg in philologische Problematiken gedachten „Stories“ hat das Projekt nicht nur ein Repertoire erschlossen, das in vielen Gesamtausgaben nicht berücksichtigt wird, sondern ebenfalls einen neuen Standard für die Nutzbarkeit und Sichtbarkeit auch in kulturhistorischer Sicht, u. a. für ein breiteres Publikum geschaffen. Zu den nicht vorhergesehenen Ergebnissen gehören neue Erkenntnisse zu den Ursprüngen des Wandertruppenwesens, die spannungsreiche, aber doch im 18. Jahrhundert reflektierte Verbindung zwischen der Oper und den visuellen Künsten, das sehr lockere, aber dennoch einflussreiche Netzwerk zwischen Akteur:innen einzelner Opernkünste sowie ein genereller Einblick in die enge Verwobenheit, Ästhetik und musikalischen Strategien von Pasticcio und dramma per musica. Insgesamt hat das Projekt eine feste Etablierung des Opernpasticcios als Forschungsgegenstand in der internationalen Musikwissenschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts ermöglicht. Darüber hinaus hat es eine rege deutsch-polnische Forschungskooperation zwischen Greifswald und Warschau gefestigt, die in einem binationalen Masterstudiengang weitergeführt werden soll. Die Editionen, die daran angeschlossene Datenbank, die Stories und eine Übersicht über die Aktivitäten des Projekts (Tagungen, Kongresse, Konzerte, Radiointerviews, Publikationen) finden sich auf der Projektwebseite.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„'Native' – 'foreign'. Zum Nexus von Sozialstruktur und Rezeptionsästhetik in der Musikmetropole London“, in: Göttinger Händel-Beiträge 20 (2019), S. 27– 44
G. zur Nieden
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„Paradigmen musikalischer Mobilität. Händels Pasticci“, in: Händel-Jahrbuch 65 (2019), S. 85–103
B. Over
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“From Opera to Pasticcio: Handel’s Revisions of Leo’s Catone in Utica (1732)”, in: Studi musicali n.s. 11 (2020), S. 69–99
B. Over
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“How to Impress the Public: Farinelli’s Venetian Debut in 1728/29”, in: Musicology Today 17 (2020), S. 14–33
B. Over
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“Pasticcio-Daten und Daten-Pasticcio – zur Edition kompilierter musikalischer Werke”, in: editio 34 (2020), S. 45–71
M. Albrecht Hohmaier/B. Over/E. Pelliccia/S. Wronkowska
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„E manca l'arte? Die intermediale Pasticcio-Ästhetik im London des beginnenden 18. Jahrhunderts", in: Ina Knoth (Hg.), Music and the Arts in England, c. 1670–1750, Dresden 2020, S. 133–150
G. zur Nieden
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Operatic Pasticcios in 18th-Century Europe. Contexts, Materials and Aesthetics, (= Mainzer Historische Kulturwissenschaften 45), Bielefeld 2021
B. Over/G. zur Nieden (Hg.)
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Themenheft Musicology Today 18/1 (2021) (= Tagungsakten der Warschauer Tagung)
Aneta Markuszewska (ed.)
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„Operatic Patchworks and their Crossings: The Masi Family of Singers and Pasticcio-Practices in Europe 1750–70", in: Tatiana Korneeva (Hg.), Mapping Italian Theater. Knowledge Transfer and Artistic Networks, 1600–1800, Turnhout 2021, S. 65–85
G. zur Nieden