Lizenzierungsbedingungen für deutsche Verb-Dritt-Sätze in der Diachronie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Gestartet war das Projekt vor der Maßgabe, dass beobachtbare Verletzungen von Verbzweit im heutigen und historischen Deutschen vorhanden, aber miteinander nicht kompatibel sind, was mit Wandel in der zugrunde liegenden Satzstruktur in Verbindung gebracht wurde. Dieser Forschungsannahme setzte das Projekt die Hypothese entgegen, dass alle bezeugten Strukturen im Rahmen derselben Satzstruktur ableitbar sind und die Inkompatibilitäten aus Veränderungen in den kontextuellen Lizenzierungsbedingungen erfolgen. In der bisherigen Forschung waren vorwiegend Daten aus dem Alt- und Frühneuhochdeutschen betrachtet worden, während das Mittelhochdeutsche als Zwischenstufe bis auf sporadische Versbelege bei Lenerz (1984) völlig ausgeblendet war. Die erhobenen Daten und ihre sorgfältige syntaktische Analyse haben gezeigt, dass Konstruktionstypen, die heute keine möglichen Verletzungen von Verb-Zweit sind, auch historisch zu keiner Zeit in der Überlieferung in sicherer Form bezeugt sind. Die entscheidende Beobachtung ist, dass die Verbindung des Subjekts und einer anderen Ergänzung in Verb-Dritt-Sätzen, also wenn das Verb seine Basisposition in der rechten Satzklammer verlässt, nicht auffindbar sind, außer in metrischen Texten. Für entsprechende putative Konstruktionen im Althochdeutschen sind Argumente anzuführen, dass diese Sätze Verb-Letzt-Sätze mit optionaler prosodisch bedingter Voranstellung von XP nach links darstellen, die das älteste Prosa als Registermarker aus der Metrik entlehnt. Die Bandbreite der konstant möglichen Verb-Dritt-Abfolgen unterscheiden sich diachron nicht bezüglich der Bedingungen, unter denen sie lizenziert werden. Jedoch wurde eine über das im Wettbewerbsmodell von Winkler (2014, 2017) zum heutigen Deutschen weit hinausgehende Kombinatorik in der komplexen linken Satzperipherie aufgedeckt, weshalb das angenommene Kategorieninventar und vor allem die Generalisierungen über die Präzedenzprinzipien, ausgehend vom bisherigen Forschungsbild, zu unvollständig sind, um über die analogen Konstruktionstypen hinausgehenden Abfolgen mit abzudecken. Stattdessen unternahm das Projekt einen weiteren Schritt, nämlich hin einer einheitlichen Derivation der bezeugten Belegarten aus einer historisch konstanten syntaktischen Basisstruktur. Ausgangspunkt dafür waren neuere Modelle der kartographischen Satzstruktur, die ausgehend vom historischen Befund und seinen Entsprechungen im heutigen Deutschen erweitert und angepasst wurden. Ein wesentlicher Schritt ist dabei die Annahme von mehrfacher Vorfeldbesetzung im Sinne einer gleichzeitigen Lexikalisierung in Köpfen und Spezifizierern in der funktionalen linken Satzperipherie. Entsprechende Analysen sind in der Literatur zu verschiedenen Einzelphänomenen bereits vorhanden, die ausgehend von der erweiterten Kombinatorik in den erhobenen Daten angepasst wurden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2019). Das komplexe Vorfeld im Mittelhochdeutschen. Eine Fallstudie am Engelthaler Schwesternbuch (14. Jh.). In Schöntag, Roger / Czezior, Patricia (Hg.), Studia linguistica et philologica 2, 21-62. München: Ibykos
Catasso, Nicholas
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(2021). Generalized and specialized adverbial resumption in Middle High German and beyond. Journal of Historical Syntax 5/2: 1-38
Catasso, Nicholas
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(2021). How theoretical is your (historical) syntax? Towards a typology of Verb-Third in Early Old High German. Journal of Comparative Germanic Linguistics 24/1: 1- 48
Catasso, Nicholas
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(2021). Verbspäterstellungen, komplexe Vorfelder und die linke Satzperipherie im Mittel- und Frühneuhochdeutschen. Sprachwissenschaft 46/1: 35-70
Catasso, Nicholas
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(2021). ‘He then said…’: (Understudied) deviations from V2 in Early Germanic. Journal of Historical Syntax 5/17: 1-39
Catasso, Nicholas; Marco Coniglio, Chiara De Bastiani and Eric Fuß