Deutsche Unternehmen in Indien: Ökonomische Expansion und transnationale Verflechtung, 1950-1985.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Forschungsprojekt hat die Erwartungen und Motive deutscher Unternehmen beim Gang nach Indien in den Blick genommen. Dabei wurde nach unternehmerischen Maßnahmen und Strategien gefragt, mit denen die Unternehmen den Markt erschlossen und mit denen die Unternehmen im Kontext von Dekolonisation, Kaltem Krieg und indischer Planwirtschaft auf wirtschaftliche und politische Risiken reagierten. Mit Dekolonisationsprozessen und Ländern, die sich aus westlicher Perspektive in einem Aufholprozess befanden, waren Unternehmen in vielen weiteren Ländern konfrontiert. Die Internationalisierung von deutschen Unternehmen in sog. Entwicklungsländern, wofür Indien in diesem Projekt als wichtiges Fallbeispiel ob seiner politischen und wirtschaftlichen Bedeutung während des Kalten Krieges der 1950er bis 1970er Jahre herangezogen wurde, verlief nicht linear entsprechend wirtschaftswissenschaftlichen Modellen des Internationalisierungsprozesses. Im Ost-West-Konflikt wurden wirtschaftliche Aspekte und die Tätigkeit von Unternehmen in den sogenannten Entwicklungsländern immer wichtiger, d.h. auch über den Ostblock hinaus. Bei „Markterschließung“, sowohl im rein wirtschaftlichen Sinne aus Perspektive der Unternehmen, aber auch aus Sicht der bundesdeutschen Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik befanden sich die Akteure nicht nur im Wettstreit mit Ländern des Ostblocks, sondern auch Länder des Westens konkurrierten um Projekte und Aufträge. Die analysierten Unternehmen aus der Chemie- und Automobilindustrie reagierten auf die indische Planwirtschaft mit einem frühzeitigen Markteintritt und ersten Direktinvestitionen in den 1950er Jahren, um bürokratische Wirtschaftshemmnisse zu umgehen und den erwarteten großen Markt zu entwickeln. Die Auslagerung von Produktionsprozessen nach Indien fand – entgegen einer ursprünglichen Annahme des Forschungsvorhabens – zu keinem Zeitpunkt aus Rationalisierungsgründen statt, selbst in den 1980er Jahren nicht. Die Planungshorizonte der deutschen Großindustrie für Auslandsinvestitionen in Indien betrugen mitunter 20 oder mehr Jahre. Auf einem durch nationalistische Wirtschaftspolitik geprägten Markt agierten die deutschen Unternehmen mit einem konstruierten Narrativ einer deutsch-indischen Unternehmensherkunft, um sich wie bereits in der Zwischenkriegszeit von ausländischen Wettbewerbern abzusetzen. Die Aufnahme von indischem Führungspersonal spielte hierbei eine wichtige Rolle. Hieran anknüpfend sind zukünftig interessante Fragen der interkulturellen Personal- und Managemententwicklung der bundesrepublikanischen Untenrehmen zu ergründen. Die Entwicklungshilfe und -politik der BRD war ab den 1950er Jahren stark von Indien als größtem Empfänger geprägt. Deutsche Unternehmen erhielten vielfach Kredite, um Investionen fortzuführen. Aufgrund der politischen Bedeutung verschwamm die Linie zwischen entwicklungspolitischen und wirtschaftlichen Projekten, die von Unternehmen durchgeführt wurden. Hier zeigen sich über den gesamten Untersuchungszeitraum des Projektes Kontinuitäten in der deutschen Entwicklugnspolitik, welche die Unternehmen auch in den späten 1960er und 1970er Jahren durch finanzielle Hilfen für Indien, die an deutsche Unternehmen zurückfloss, untersützte.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Im Schatten Chinas, in: F.A.Z. vom 18.10.2019
Faust, Julian; Kleinschmidt, Christian
- Filling a colonial void? German business strategies and development assistance in India, 1947–1974, in: Business History (2020), 1–25
Faust, Julian
(Siehe online unter https://doi.org/10.1080/00076791.2020.1802428)