Historische Aufarbeitung der Entstehungsbedingungen der Informationsrechtswissenschaft
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Bei der wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchung der Entstehungsbedingungen des Informationsrechts konnten auf zwei Ebenen wissenschaftliche Fortschritte erzielt werden. Zum einen konnten Modelle zur Beschreibung der Disziplingenese in der Rechtswissenschaft und in Disziplinen mit zumindest auch rechtswissenschaftlichem Bezug („Querschnittsdisziplin") entwickelt, zum anderen die konkreten Wurzeln des Informationsrechts dezidiert herausgearbeitet werden. Der Begriff des Informationsrechts entstand bereits 1970 in Abgrenzung zur Rechtsinformatik als „Nebenprodukt" und war inhaltlich zunächst mit dem sich ebenfalls zu ab diesem Zeitpunkt bildenden Datenschutzrecht belegt.Aus dem Datenschutzrecht wurde der Gegenstand des Informationsrechts, der Ausgleich zwischen dem Interesse an der Kontrolle von Informationen und dem freien Zugang zu diesen, abgeleitet. Die ersten Wissenschaftler, die sich mit dem Informationsrecht befassten und es theoretisch formten, waren Rechtsinformatiker und Datenschutzrechtler. Erst später wurde das Gebiet des Informationsrechts um Gegenstände wie Medien-, Urheber- oder IT-Vertragsrecht erweitert. Folglich wurde die Untersuchung der Entstehung des Informationsrechts auf die beiden Wurzeln Rechtsinformatik und Datenschutzrecht eingeschränkt. Die Rechtsinformatik entstand 1970 und ist die Ursprungsdisziplin des Informationsrechts. Ab dieser Zeit beginnen sich Gegenstand, Methode und Aufgabe, die die Disziplin Rechtsinformatik kennzeichnen, herauszubilden. Die Forschungslandschaft der Rechtsinformatik ist durch die Bezugnahme auf außerhalb der Rechtswissenschaft liegende Disziplinen geprägt. Dieser Querschnittscharakter stellt im Hinblick auf die Institutionalisiemng der Disziplin und die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses Herausforderungen, die schließlich nicht bewältigt werden können. In der zweiten Hälfte stagniert die Entwicklung der Rechtsinformatik daher. Die Disziplin gerät in eine Krise. Der Prozess der disziplinaren Verdichtung des Datenschutzrechts zu einer selbstständigen Rechtsmaterie mit eigenem Gegenstand und einer eigenständigen Methode begann ab 1964, als in den USA im Zusammenhang mit dem Einzug des Computers in Staat und Verwaltung. Erst diese Entwicklung machte einen umfassenden Schutz des Einzelnen vor dem Umgang mit seinen personenbezogenen Daten über die vorher parallel bestehende Regelung einzelner Teilbereiche hinaus erforderlich. In der Bundesrepublik war die Entstehungsphase von einer intensiven Wechselwirkung von Wissenschaft, Gesetzgebung imd Rechtsprechung geprägt. Obwohl die Entwicklung vom Gesetzgeber angestoßen worden war, wurden die zwischen 1970 und 1974 von der Wissenschaft entwickelten Grundsätze zu Gegenstand und Methode nur teilweise in die Gesetze übemommen. Dennoch führte die Verabschiedung diverser Datenschutzgesetze Ende der 70er Jahre zu einer dogmatischen und institutionelle Vernetzung und somit zu einem neuen Rechtsgebiet. Eine endgültige Legitimierung als eigenständige Rechtsdisziplin erfuhr das Datenschutzrecht jedoch erst Ende 1983 mit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Erst mit der verfassungsrechtlichen Anerkennung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung kam es zu einem wissenschaftlichen Konsens über Gegenstand und Methode und zur Etablierung des Paradigmas des Datenschutzrechts.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Informationsrecht - Geschichte und Zukunft einer neuen Disziplin, in: Multimedia und Recht 7/2008, S. XXX
Spittka
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Der Aufbau von juris - Ein Motor für die Entwicklung des Informationsrechts?, in: Rüßmann (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Käfer, Saarbrücken 2009, S. 165-180
Hoeren/Gräwe
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Eine kurze Geschichte des Informationsrechts, in: LOG IN 157,158/2009, S. 34-40
Spittka
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Rechtsinformatik - Von der mathematischen Strukturtheorie zur Integrationsdisziplin, in: Informatik in Recht und Verwaltung: Gestem - Heute - Morgen, Bonn 2009, S. 23-36
Hoeren/Bohne