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Modellbasierte Analyse latenter neurokognitiver Prozesse selektiver Stopping-Strategien

Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2017 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 347736680
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im vorliegenden Projekt wurden modellbasierte Ansätze verwendet, um latente kognitive Prozesse und deren neuronalen Korrelate im Kontext der Reaktionsinhibition zu untersuchen. Ziel war ein umfassenderes Verständnis des neuronalen Stopping-Netzwerkes, da die spezifische Funktion von Kernregionen dieses Netzwerkes teilweise nach wie vor kontrovers diskutiert wird. Die Reaktionsinhibition wurde mit der Stop-Signal-Aufgabe untersucht. Neuere Bayes'sche Methoden ermöglichen neben der hierarchischen Estimierung der Verteilung der Stopping-Latenzen eine Schätzung des sogenannten „Trigger-Failure“-Parameters. „Trigger Failures“ bezeichnen Stop-Trials, in denen der Stop- Prozess nicht initiiert wird. Neben diesem Modell wurde das Diffusions-Entscheidungsmodell (engl.: „diffusion decision model“, DDM) an die Verhaltensdaten einer Stop-Signal Aufgabe gefittet. Das DDM zerlegt die Aufgabenausführung in die zugrundeliegenden kognitiven Prozesse wie die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung (Drift Rate), die Reaktionsvorsicht („Boundary Separation“), die Präferenz für eine Reaktionsalternative („a priori bias“) und periphere Prozesse, die nicht direkt mit dem Entscheidungsprozess in Zusammenhang stehen („non-decision time“). Die effizientere Informationsverarbeitung des Go-Signals war während des Stoppens mit stärkerer Aktivierung in Schlüsselregionen des fronto-striatalen Stopping-Netzerkes, insbesondere des rechten inferioren frontal Gyrus (IFG) assoziiert. Dies untermauert Vorbefunde, dass ein schneller und effizienter Stop-Prozess auf starker Aktivierung des neuronalen Stopping-Netzwerkes, insbesondere des rechten IFGs beruht. Der IFG wird häufig als Schlüsselregion des Stopping-Netzwerkes gesehen, aber seine Funktion in der Reaktionsinhibition ist noch nicht vollständig verstanden und wird kontrovers diskutiert. Interessanterweise war die Neigung zu „Trigger Failures“ in gesunden Erwachsenen negativ mit der Aktivierung des rechten IFGs korreliert. Je häufiger Individuen den Stop-Prozess nicht erfolgreich aktivieren, umso weniger stark aktivieren sie die Schüssel-Region des Stopping Netzwerkes. Auch wenn dieser korrelative Zusammenhang keine kausalen Schlüsse zulässt, untermauert dieser Befund die zentrale Rolle des rechten IFGs in der Initiierung des Stop-Prozesses. Bei Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktiviätssyndrom (ADHS) war eine höhere Neigung sowohl zu „Trigger Failures“ wie auch zu „Go Failures“ (= der Go-Prozess wird nicht initiiert) zu beobachten, wie durch das störungsinhärente Aufmerksmkeitsdefizit zu erwarten war. Des weiteren war der Anteil der langsamen Reaktionen sowohl in der Go- wie in der Stop-Bedingung bei den ADHS-Patienten erhöht. Dies komplettiert bisherige Befunde über eine höhere Reaktionszeitvariabilität bei ADHS-Patienten. Die selektive Stop-Signal Aufgabe, in welcher ein Signal als Stop-Signal fungiert, ein anderes hingegen ignoriert werden muss, kann mit unterschiedlichen Strategien bearbeitet werden. Die herkömmliche Auswertung der Bildgebungsdaten ergab, dass unabhängig von der jeweilig verwendeten Strategie alle Gruppen gleichermaßen das Stopping-Netzwerk rekrutierten. Für die selektiven Aufmerksamkeitsprozesse hingegen bestanden signifikante Strategie-abhängige Unterschiede in der Hirnaktivierung insbesondere in präfrontalen Regionen. Die modellbasierte Auswertung der Verhaltensdaten ergab, dass direkt beobachtbare Reaktionszeitmuster auf unterschiedlich ausgeprägten, latenten Entscheidungskomponenten in den jeweilig verwendeten Strategien beruhen. Solche Unterschiede in zugrundeliegenden Entscheidungsprozessen sind nicht alleine durch Reaktionszeiten ersichtlich und nur durch eine modellbasierte Analyse zugänglich. Insgesamt erlauben die Korrelationen zwischen den Modellparametern und den Bildgebungsdaten erste Einblicke in die individuellen Unterschiede in latenten Entscheidungsprozessen und deren neuronalen Korrelaten.

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