Tier-Mensch-Monster: Fiktionen des politischen Wandels
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt untersucht Verwandlungsfiktionen und Monstererzählungen im Hinblick auf ihre politische Bedeutung. Anhand einer Reihe von literarischen und filmischen Texten aus verschiedenen kulturhistorischen Epochen wird beschrieben, wie dort Mensch/Tier-Metamorphose, polymorphe Körperlichkeit, phantastische Transgenesis als Sinnbilder politischer Transformation gelesen werden können. So hat sich eine Parallelentwicklung gezeigt, bei der sich der emergente Strukturwandel des Herrschaftssystems mit einer kulturellen Überproduktion von imaginären Mensch/Tier-Entgrenzungen und monströsen Schöpfungsphantasien einhergeht. So hat das 12 Jahrhundert die Figur des Werwolfs als animalischen Doppelgänger des souveränen Königs hervorgebracht, während die Durchsetzung der Volkssouveränität im 19. Jahrhundert sich mit der Horrorgeschichte von Frankenstein am Anfang und Dracula am Ende abdeckt. Das 21. Jahrhundert markiert schließlich eine konzeptuelle Wende von der bisher anthropozentrischen gedachten Demokratie zu einer posthumanen Gesellschaftsform, wonach jedwede Artenunterscheidung aufgehoben wird, so daß Mensch und Tier, Lebewesen und Maschine, lebendigen und nicht lebendigen Existenz auf völliger gleichberechtigter Weise politische und soziale Partizipation für sich in Anspruch nehmen können. Die Studie schließt mit einem Ausblick auf den Zusammenhang zwischen den posthumanistischen Phantasien der Gegenwartskultur und der Fortentwicklung der Globalisierung. Die offene Frage dabei lautet, ob sich der Posthumanismus hier als die große Verwandlungsfiktion unserer Epoche lesen läßt, in der die politischen Konsequenzen der Globalisierung imaginär kompensiert werden. Wie könnte man ein Zukunftsprogramm begründen, demgemäß die Menschen bzw. die menschlichen Gesellschaft künstlich und/oder institutionell in ein hybrides Konstrukt umgewandelt werden soll? Eine Antwort findet sich womöglich bei Peter Singer, einem der progressivsten Denker der Tierethik und der posthumanistischen Theorie allgemein. In seiner Programmschrift "On world" (2002) nennt Singer folgende Kriterien für eine Ethik der Globalisierung: one atmosphere, one atmosphere, one economy, one law, one economy. Anstelle der Pluralität scheint vielmehr die Homogenisierung das Prinzip der von Singer projizierten ,Globalregierung‘ (global governance) zu sein. Wie eine solche Totalisierungsphantasie zum Hybridisierungspathos in den posthumanistischen Diskursen und Kulturprodukten verhält, das wäre das Thema für ein neues Projekt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- »Barocke Traumsprache: Rhetorik und Visualität« in: Dietrich Scholler / Xuan Jing (Hgg.). Traumwissen und Traumpoetik von Dante bis Descartes, Mainz: Mainz University Press 2020, S. 195- 210
Xuan Jing
- »Hannibal Lecters Gastmahl: Pathos, Horror und die Kunst des Inhumanen« in: Giulia Agostini/ Herle Christin Jessen (Hgg.), Pathos. Affektformationen in Kunst, Literatur und Philosophie, München: Brill/Wilhelm Fink, S. 463- 484
Xuan Jing
(Siehe online unter https://doi.org/10.30965/9783846765579_022)