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Funktionelle Biomechanik des gesunden und degenerierten Meniskus

Antragsteller Privatdozent Dr. Andreas Martin Seitz, seit 8/2020
Fachliche Zuordnung Orthopädie, Unfallchirurgie, rekonstruktive Chirurgie
Förderung Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 326904281
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Trotz der hohen klinischen Relevanz ist der meist altersbedingte Degenerationsprozess der keilförmigen Menisken im Kniegelenk insbesondere hinsichtlich ihrer Struktur-Funktionsbeziehung noch unzureichend verstanden. Es ist weiterhin nicht bekannt, ob eine Meniskusdegeneration zu einer Degeneration des angrenzenden Knorpelgewebes führt oder umgekehrt. Das übergeordnete Ziel dieses komplementären Forschungsvorhabens war es daher, Änderungen in der Struktur-Funktionsbeziehung während der Meniskusdegeneration zu identifizieren und diese in den Gesamtkontext der Gonarthroseentstehung einzuordnen. In diesem Vorhaben wurden insgesamt 24 humane Kniegelenkspräparate, sowie 6 Probanden und insgesamt 17 Gonarthrosepatienten eingeschlossen und der Degenerationsgrad aller Kniegelenke per klinischem Standard ermittelt. Danach konnten auf Basis von MRT- Aufnahmen im unbelasteten und belasteten Zustand erstmals sowohl in-vitro an den humanen Kniegelenkspräparaten als auch in-vivo an den kniegesunden Probanden und Patienten, per erweitertem Bildregistrierungsverfahren lokal hochaufgelöste drei-dimensionale Dehnungsfelder berechnet werden. Aufbauend auf diesen Experimenten wurden in-silico Materialparameter bestimmt, welche die komplexen anisotropen, hyper-, poro- und viskoelastischen Eigenschaften der Menisken beschreiben. Die Ergebnisse dieser MRT-Belastungsexperimente zusammen mit der anschließenden biomechanischen Charakterisierung des Meniskusgewebes mittels Zug- und Drucktestungen deuten darauf hin, dass die fortschreitende Meniskusdegeneration hauptsächlich die Druckeigenschaften der Menisken negativ beeinflusst, wohingegen die Zugeigenschaften nicht oder nur wenig betroffen sind. Diese Erkenntnisse wurden durch komplementäre biochemische Analysen bestätigt: Mittels enzymatischem Verdau konnte ein Anstieg der wasserbindenden Proteoglykane und ein damit assoziierter Anstieg des Wassergehalts, sowie eine Volumenabnahme der matrixbildenden Hauptkomponente Kollagen mit zunehmender Meniskusdegeneration festgestellt werden. Qualitative und quantitative histologische Auswertungen zeigten ebenfalls eine voranschreitende Destruktion der sonst stark hierarchisch angeordneten Meniskus-Kollagenfaserstruktur mit fortschreitender Degeneration. Somit lässt sich auch auf struktureller Ebene die Abnahme der Kompressionsfestigkeit durch ein gestörtes Verhältnis der biphasischen Meniskusstruktur erklären. Um einen detaillierteren Einblick in die Ätiologie der Gonarthrose zu erhalten, wurden mittels sphärischer Indentation biomechanische Mappings der gesamten Meniskus- und benachbarten Gelenkknorpeloberflächen erstellt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen deuten darauf hin, dass degenerationsbedingte (bio-)mechanische Veränderungen womöglich zuerst in den Menisken nachweisbar sind, bevor der hyaline Kniegelenksknorpel betroffen ist. Zusammenfassend wurde dieses DFG-Projekt erfolgreich abgeschlossen und die erzielten Ergebnisse und Erkenntnisse tragen maßgeblich zu einem tieferen Verständnis der Struktur-Funktionsbeziehung während der altersbedingten Meniskusdegeneration bei. Zudem zeigten die in-vivo durchgeführten MRT-Belastungsexperimente mit anschließender Berechnung von patientenspezifischen, räumlich aufgelösten Dehnungsfelder sowie die in-silico Bestimmung von Materialparametern ein großes Potential für eine Anwendung im klinischen Kontext. Um zu klären, ob diese in diesem Vorhaben erfolgreich etablierte Methodik als Analysetool zur frühzeitigen Erkennung einer Gonarthrose oder zur Detektion von Lokalisationen mit einem erhöhten Risiko für Gewebeschädigungen, in der Klinik eingesetzt werden kann, müssen weitere Studien angestrengt werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Automatic segmentation of knee menisci - A systematic review; Artif Intell Med. 2020 May; 105:101849
    Rahman, M.M., Dürselen, L., Seitz A.M.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.artmed.2020.101849)
  • Degeneration Affects Three-Dimensional Strains in Human Menisci: In situ MRI Acquisition Combined With Image Registration; Front Bioeng Biotechnol. 2020 Sep 16; 8:582055
    Schwer, J., Rahman, M.M., Stumpf, K., Rasche, V., Ignatius, A., Dürselen, L., Seitz, A.M.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3389/fbioe.2020.582055)
  • Degeneration alters the biomechanical properties and structural composition of lateral human menisci; Osteoarthritis Cartilage. 2020 Nov; 28(11):1482-1491
    Warnecke, D., Balko, J., Haas, J., Bieger, R., Leucht, F., Wolf, N., Schild, N.B., Stein, S.E.C., Seitz, A.M., Ignatius, A., Reichel, H., Mizaikoff, B., Dürselen, L.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.joca.2020.07.004)
  • Osteoarthritis-Related Degeneration Alters the Biomechanical Properties of Human Menisci Before the Articular Cartilage; Front Bioeng Biotechnol. 2021 May 6; 9:659989
    Seitz, A.M., Osthaus, F., Schwer, J., Warnecke, D., Faschingbauer, M., Sgroi, M., Ignatius, A., Dürselen, L.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3389/fbioe.2021.659989)
 
 

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