Grundlagenuntersuchungen zum Einfluss des Aluminiumgehalts in Titanlegierungen auf die senkfunkenerosive Bearbeitbarkeit und die resultierende Bauteilfunktionalität
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In diesem Forschungsprojekt wurde die Erodierbarkeit von Titanlegierungen mit verschiedenen Aluminiumgehalten verglichen und der Einfluss der Polarität untersucht. Lange Zeit war die Notwendigkeit zum Umpolen in der Senkfunkenerosion (SEDM) für eine effiziente Bearbeitung von Titanlegierungen in der industriellen Praxis aufgrund phänomenologischer Beobachtungen bekannt. Eine grundsätzlich wissenschaftliche Erklärung hierfür war jedoch bis heute nicht verfügbar und auch die genauen Rahmen- und Randbedingungen waren unbekannt. Hier konnte das vorliegende Projekt nun erstmalig einen fundierten Erklärungsansatz für das Gesamtsystem Ti-Al liefern und so diese lange bekannte Wissenslücke in der Funkenerosion schließen. Zunächst wurde gezeigt, dass es im Gegensatz zur Bearbeitung von Stahl bei der Bearbeitung von Titan zu einer großen Abhängigkeit der Abtragrate von der Polarität kommt. Dieses Verhältnis kehrt sich für das untersuchte γ-TiAl um und führte sogar zu einer größeren Abtragrate. Während bei einer negativen Werkzeugpolarität alle untersuchten Werkstoffe mit einer ähnlichen Abtragrate bearbeitet werden konnten wurde für die Titanwerkstoffe bei umgekehrter Polarität und steigendem Aluminiumgehalt ein Anstieg der Abtragrate im Bereich einer Größenordnung festgestellt. Für Ti6Al4V wurde in einer Untersuchung mit drei- und rechteckigen Entladeformen für verschiedene Entladedauern die Beobachtung des Abtragratenunterschieds bestätigt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Oberfläche des mit positiver Werkzeugpolarität bearbeiteten Werkstückes zu Rissen geführt hat, welche bei der negativen Werkzeugpolarität nicht feststellbar waren. Da die Risse auf eine sprödharte Oberfläche hindeuten, wurden Tiefenverläufe der Mikrohärte angefertigt, welche eine Erhöhung der Härte bis zu einer Tiefe von 15 µm festgestellt hat. Die Ausbildung dieser veränderten Schicht erfolgte erst sukzessive im Verlauf der Bearbeitung. Neben der Ausbildung von Rissen konnte im Querschliff eine Veränderung der Randzone beobachtet werden. Die durchgeführten EBSD-Struktur- und EDX-Elementanalysen deuten darauf hin, dass die Randschicht nach der Bearbeitung mit positiver Werkzeugpolarität aus Titankarbid besteht. Diese Vermutung wurde durch eine XRD-Messung zur chemischen Phasenanalyse bestätigt. Zwar zeigte sich hier bei der negativen Werkzeugpolarität ebenfalls ein gewisser Anteil an TiC, jedoch waren auch Anteile des Grundwerkstoffs vorhanden, was bei umgekehrter Polarität nicht der Fall war. Der Unterschied in den thermophysikalischen Eigenschaften von TiC und Titan konnte genutzt werden um das Abtragverhalten beider Polaritäten zu erklären. Weitere Untersuchungen wurden angestellt, um den Grund für die Karbidbildung bei positiver Werkzeugpolarität zu erklären. Unter anderem wurden Einzelentladungen mit verschiedenen Entladedauern und entsprechend variierter Polarität durchgeführt. Hier ergab sich, zusammen mit früheren Erkenntnissen, dass die Intensität bei der negativen Werkzeugpolarität größer ist und somit ausreichend um das entstehende Titankarbid zu entfernen. Bei positiver Werkzeugpolarität hingegen reicht die Intensität der Entladungen nicht aus um das Anwachsen der TiC-Schicht zu verhindern. Weiterhin zeigte sich, dass die TiC-Bildung maßgeblich aus dem Kohlenstoff im Dielektrikum erfolgt. Diese Annahme wurde durch Versuche in deionisiertem Wasser bestätigt. Hier ergab sich eine deutliche Steigerung der Abtragraten für die Bearbeitung in Wasser, wobei sich die Abtragraten mit größeren Entladedauern wieder annäherten, was auf eine Bildung von Titanoxid zurückzuführen ist. Um den unterschiedlichen Al-Gehalten und ihren Auswirkungen auf die Bearbeitung gerecht zu werden, wurden weitere Untersuchungen mit veränderten Entladedauern und beiden Polaritäten an γ-TiAl durchgeführt. Hier zeigte sich, dass erst bei langen Entladedauern TiC gebildet wird obwohl dies bei Ti6Al4V bereits deutlich früher der Fall gewesen ist. Da eine Temperatur von T = 1150 K notwendig ist, damit TiC entstehen kann und längere Entladedauern bei gleicher Intensität mehr Wärme in den Prozess einbringen, muss die Temperatur später erreicht werden. Im relevanten Temperaturbereich ist die Wärmeleitfähigkeit von γ-TiAl um das 1,5- bis 3-fache höher als bei Ti6Al4V. Die eingebrachte Wärme kann also schneller abtransportiert werden und die Oberfläche bleibt entsprechend länger unterhalb der für die TiC-Bildung kritischen Temperatur. In weiteren Untersuchungen mit verschiedenen Titan-Aluminium-Legierungen wurde dieser Zusammenhang bestätigt. Die Korrelation der zuvor erforschten Aspekte sollte im Rahmen eines Fortsetzungsantrages auch mit der resultierenden Bauteilfunktionalität verknüpft werden. Leider wurden zwei entsprechende Anträge negativ beschieden, so dass diese – im zweiten Teil des Projekttitels genannten Aspekte – nicht mehr beleuchtet und ergänzt werden konnten.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2018). A Comparative Study of Polarity-related Effects in Single Discharge EDM of Titanium and Iron Alloys. Procedia CIRP, 68, 52-57
Klocke, F., Mohammadnejad, M., Holsten, M., Ehle, L., Zeis, M., Klink, A.
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(2018). Anomalous influence of polarity in sink EDM of titanium alloys. CIRP Annals – Manufacturing Technology
Holsten, M., Koshy, P., Klink, A., Schwedt, A.
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Polarity-Dependent Removal Interferences in Sink EDM of Titanium Alloys., Apprimus Verlag Aachen 2019, ISBN 978-3-86359-695-8, Dissertation RWTH Aachen
Holsten, M.