Leichtmauerwerk-Kellerwände unter Erddruckbeanspruchung
Architektur, Bau- und Konstruktionsgeschichte, Bauforschung, Ressourcenökonomie im Bauwesen
Geotechnik, Wasserbau
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Veranlasst durch bauliche Veränderungen im Laufe der Zeit und die vorherrschende Diskrepanz zwischen den Bemessungsvorgaben in der Mauerwerknorm (EC 6/NA) und den Empfehlungen der Erddrucknorm (DIN 4085) hinsichtlich der Nachgiebigkeit erddruckbelasteter Kellerwände und der daraus abzuleitenden Erddruckbelastung (Größe und Verteilung) wurde das Forschungsprojekt als Kooperation des Geotechnik- (GiB/GUT) und des Baustoffinstituts (ibac) der RWTH Aachen University durchgeführt. Die Ziele des Projekts waren die detaillierte experimentelle Analyse der Interaktion zwischen der Erddruckbelastung verschiedener Böden und dem Trag- und Verformungsverhalten von Mauerwerk-Kellerwänden mit einachsigem Lastabtrag und die darauf gegründete Formulierung realistischer Erddruck- und Bemessungsansätze speziell für Leichtmauerwerk-Kellerwände. Dazu wurden großmaßstäbliche Versuche an erddruckbelasteten Kellerwänden mit 2,5 m Höhe und 3,15 m Länge durchgeführt. Untersucht wurden der Einfluss der Steinbreite, des Überbindemaßes, der Stoßfugenvermörtelung, der Exzentrizität der Auflast, der Bodenart und der Verfüllung der Böden. Ergänzend wurden weitere Randbedingungen mit Hilfe von FE-Modellen analysiert. Dazu wurden an beiden Instituten numerische Modelle entwickelt: Am GiB/GUT mit dem Fokus auf der detaillierten Abbildung des Materialverhaltens der Böden und der Grenzfläche zur Kellerwand (Interface) sowie der Einbaumethode, am ibac mit dem Fokus auf dem Trag- und Verformungs- sowie dem Bruchverhalten der Mauerwerkwände. Auf Basis der Untersuchungen konnten Empfehlungen für den Ansatz der Erddruckbelastung nicht bindiger Böden auf Mauerwerk-Kellerwände für die Bemessung formuliert werden. Unter Berücksichtigung der erforderlichen Normalkräfte nach DIN EN 1996-1-1/NA ist bei einer losen Verfüllung des Bodens ein linearer Erddruck zu empfehlen, der sich in Abhängigkeit der Steifigkeit des gewählten Mauerwerks mindestens zu je 50 % aus aktivem Erddruck und Erdruhedruck zusammensetzt und maximal dem Erdruhedruck entspricht und wodurch die allgemeine Empfehlung für Kellerwände in DIN 4085 bestätigt wird. Beim Einbau des Bodens mit lagenweiser Verdichtung ist die Berücksichtigung des Verdichtungserddrucks grundsätzlich sinnvoll und entgegen der Angabe in DIN EN 1996-2/NA ebenfalls bei leichter Verdichtung. Unter Berücksichtigung der Mauerwerksteifigkeit ist zunächst als Basis der gleiche erhöht aktive Erddruck wie bei der losen Verfüllung anzusetzen. Zusätzlich ist ein Verdichtungserddruck über einen mit DIN 4085 vergleichbaren bilinearen Ansatz zu berücksichtigen. Für eine detailliertere Einteilung als bisher in DIN 4085 vorgegeben, sind jedoch noch weitere Untersuchungen erforderlich. Die Spannungs- und Verformungsanalysen der Mauerwerkwände bestätigen die bereits bekannten Gesetzmäßigkeiten der Erddrucktheorie, denen zufolge die Biegesteifigkeit der Wand das Wandverformungsverhalten und die Erddruckbelastung und deren Interaktion maßgeblich bestimmt: Je größer die Steinbreite, desto kleiner die Wanddurchbiegung und desto größer die Erddruckbelastung. Die Ergebnisse zeigen: Die Erddruckresultierende bestimmt das Sicherheitsniveau gegen Wandversagen und die Biegelinie, die Form der Erddruckverteilung ist von untergeordneter Bedeutung. Die Erhöhung der Normallast, insbesondere bei exzentrischer Lasteinleitung zur Wandinnenseite hin, wirkt tragfähigkeitssteigernd. Der entscheidende Sicherheitsfaktor gegen Biegeversagen ist die Mauerwerk-Biegezugfestigkeit, die bei der Bemessung von Kellerwänden bislang nicht berücksichtigt wird. Bei nicht normgerechter Ausführung gemäß DIN EN 1996-2/NA und deutlicher Unterschreitung des geforderten Mindest-Haftscherfestigkeitswertes nach DIN EN 1996-1-1/NA ist Plattenschub am Wandfuß tragfähigkeitsbegrenzend. Die Sicherheit der Mauerwerk-Bemessungsnormen (EC 6/NA) kann auf Basis der ermittelten Erddruckbelastungen bestätigt werden. Durch die Einbeziehung der gewonnenen Erkenntnisse über die Mauerwerk-Erddruck-Interaktion, das Wandtrag- und -verformungsverhalten verknüpft mit den formulierten Erddruckansätzen kann die Bemessung speziell von Leichtmauerwerk-Kellerwänden optimiert werden. Hierfür sollen weitere Materialkombinationen und Parameter analysiert werden. In Zukunft soll einerseits der Einfluss der Eigenschaften der Verdichtungsgeräte weitergehend untersucht werden, sodass detaillierte Empfehlungen zum Erddruckansatz gegeben werden können. Die Studie soll andererseits auf Mauerwerkwände mit zweiachsigem Lastabtrag unter räumlicher Erddruckbelastung ausgedehnt werden. Mit dem dreidimensional kalibrierten Wandmodell besteht die Möglichkeit den Einfluss von Querwänden auf die Tragfähigkeit von Kellerwänden zu analysieren. In diesem Fall empfiehlt es sich, das 3D-Modell mit Großversuchen zu validieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2021). Großmaßstäbliche Laborversuche zur Untersuchung der Erddruckbelastung auf Mauerwerk-Kellerwände. Forum für junge Geotechnik-Ingenieure der DGGT
Willing, J.