Intra-Rezeptor-Wechselwirkungen und ihr Einfluss auf die Stabilität von Wirt-Gast-Komplexen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In biologischen Systemen kann die Wechselwirkung eines Enzyms oder Rezeptors mit dem jeweiligen Substrat außerordentlich effizient sein. Synthetische Rezeptoren, welche häufig mit dem Ziel synthetisiert werden, die Eigenschaften eines natürlichen Vorbilds zu imitieren, bleiben dagegen in Bezug auf Substrataffinität typischerweise hinter biologischen Systemen zurück. Eine mögliche Erklärung für diesen Befund ist, dass sich natürliche Systeme Bindungsmechanismen bedienen, die in synthetischen Rezeptoren bisher nicht gezielt verwandt werden, und die über reine Rezeptor-Substrat-Wechselwirkungen hinausgehen. Ein Beispiel für eine solche Wechselwirkungsart sind Intra-Rezeptor-Wechselwirkungen. Hierbei handelt es sich um intramolekulare Wechselwirkungen innerhalb der Rezeptorstruktur, welche in Abwesenheit des Substrats schwach sind aber durch die Substratbindung verstärkt oder sogar erst ermöglicht werden. Thermodynamische Beiträge dieser Wechselwirkungen tragen mit positiver Kooperativität zur freien Enthalpie der Komplexbildung bei und führen so insgesamt zu einer Komplexstabilisierung. Während solche Intra-Rezeptor-Wechselwirkungen in einigen biologischen Systemen schon identifiziert wurden, existieren bisher wenige Beispiele synthetischer Rezeptoren, in denen sie wirksam sind. Vor diesem Forschungsvorhaben gab es z.B. Hinweise darauf, dass Intra-Rezeptor-Wechselwirkungen wahrscheinlich eine Ursache für die in wässriger Umgebung beobachtete, hohe Anionenaffinität der in meiner Gruppe entwickelten Cyclopeptide sind. Ausgehend von diesen Vorüberlegungen sollten im Rahmen dieses Forschungsvorhabens Modellverbindungen entwickelt werden, die es eriauben, den thermodynamischen Beitrag von Intra-Rezeptor-Wechselwirkungen zur Substratbindung thermodynamisch exakt zu quantifizieren. Diese Modellverbindungen basierten auf monocyclischen Kronenethern und Bis(kronenethern) sowie auf Cyclopeptiden und einer neuen Klasse von cyclischen Pseudopeptiden mit 1,5- disubstituierten 1,2,3-Tnazoleinheiten. Die Arbeiten zu den Bis(kronenethern) gestalteten sich schwierig. Aufgrund der hohen Epimierisierungsanfälligkeit dieser Verbindungen konnte nur ein für die Bindungsstudien geeignetes Derivat diastereomerenrein erhalten werden, alle anderen Verbindungen wurden als Diastereomerengemische isoliert. Keines der hergestellten Bis(kronenetherderivate) besitzt laut kalorimetrischen Bindungsstudien in Methanol/Wassergemischen unterschiedlicher Zusammensetzung eine erhöhte Substrataffinität, welche auf eine Verstärkung der Bindung durch Intra-Rezeptor-Wechselwirkung schließen ließ. Für ein Paar stereoisomerer Derivate wurden signifikant unterschiedliche enthalpische und entropische Beiträge zur Gesamtstabilität der jeweiligen Komplexe beobachtet. Ob diese Effekte auf Intra-Rezeptor-Wechselwirkungen zurückzuführen sind, lässt sich jedoch auf Basis des vorhandenen Datenmaterials nicht eindeutig folgern. Mit den cyclischen Pseudopeptiden wurden dagegen Anionenrezeptoren entwickelt, welche in den entsprechenden Bindungsstudien sehr aufschlussreiche Ergebnisse zur Fragestellung des Forschungsvorhabens lieferten. Diese Untersuchungen geben klare Hinweise darauf, dass die Substratbindung dieser Verbindungen durch hydrophobe Wechselwirkungen zwischen Rezeptoruntereinheiten im Komplex begünstigt wird. Darüber hinaus besitzen diese Ergebnisse über dieses Forschungsvorhaben hinaus Relevanz, da mit diesen Pseudopeptiden eine neue Klasse von Anionenrezeptoren identifiziert werden konnte, die anorganische Anionen aufgrund ihrer intrinsisch hohen Substrataffinität auch in wässriger Umgebung binden. Diese Verbindungsklasse wird darum für zukünftige Arbeiten der Gruppe von großer Bedeutung sein.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
"Formation of a cyclic tetrapeptide mimic by thermal azide-alkyne 1,3-dipolar cycloaddition" Chem. Commun. 2010, 46, 5307-5309
M. R. Krause, R. Goddard, S. Kubik