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Eine oberdeutsche Handelspraktik und das kaufmännische Wissen um 1500
Antragsteller
Professor Dr. Gerhard Fouquet
Fachliche Zuordnung
Mittelalterliche Geschichte
Förderung
Förderung von 2016 bis 2018
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 284225552
Im Zentrum des Projekts steht eine handschriftlich überlieferte oberdeutsche Handelspraktik, die im beginnenden 16. Jahrhundert, wahrscheinlich 1511 angelegt wurde und heute in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel aufbewahrt wird (Signatur: Cod. Guelf. 18.4. Aug. 4o). Der Forschungsbegriff 'Handelspraktik' bezeichnet einen Typus pragmatischer Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, die kaufmännisches Wissen kompendienartig festhalten, sei es zum individuellen oder firmeninternen Gebrauch (Kaufmannsnotizbücher), sei es zur Verbreitung in einem größeren Benutzerkreis (Kaufmannshandbücher). Während in Italien kaufmännische Notizbücher seit dem späten 13., Handbücher seit dem 15. Jahrhundert entstanden, gehört die Wolfenbütteler Handelspraktik zu den frühesten Beispielen für derartige Texte im deutschsprachigen Raum. Dabei handelt es sich um ein Handbuch, das unter anderem Informationen zu Marktverhältnissen und Handelsusancen, zu Preisen und Kostenkalkulationen, zu Währungen, Maßen und Gewichten samt deren Umrechnung enthält. Den Schwerpunkt bildet der Handel mit Venedig, besondere Aufmerksamkeit erfahren daneben Augsburg und Nürnberg, mit deutlichem Abstand Frankfurt. Auf wen diese Zusammenstellung zurückgeht, ist bisher nicht bekannt, doch als wahrscheinlicher Entstehungsort darf Augsburg gelten.Handelspraktiken haben zwar in jüngerer Zeit vermehrt wirtschaftsgeschichtliches Interesse gefunden, doch ihre Erforschung weist nach wie vor erhebliche Defizite auf. Bezeichnenderweise ist auch die Wolfenbütteler Handschrift der Forschung seit langem bekannt, eine eingehende Analyse dieser Quelle, der für die oberdeutsche Handelsgeschichte hervorragende Bedeutung zukommt, erfolgte bislang jedoch nie. Das Projekt nutzt sie als Zugang zum kaufmännischen Wissen in der Zeit um 1500. Dabei handelt es sich um hochgradig spezialisiertes Handlungswissen, mithin um anwendungsorientiertes Wissen, an welches das Projekt drei miteinander verschränkte analytische Perspektiven anlegt: Produktion (Entstehungsprozesse und bedingungen), Ordnung (Inhalte und ihre Verknüpfungen), Präsentation (Techniken und Formen der Vermittlung). Methodisch notwendig ist der systematische Vergleich mit anderen Handelspraktiken, insbesondere oberdeutscher Herkunft, ergänzend auch Oberitaliens und des niederländisch-niederdeutschen Raumes, um über die Untersuchung von Abhängigkeiten, Parallelen und Differenzen Erkenntnisse zur Konstituierung und Komposition, zu Kontinuitäten und Veränderungen, zur Pragmatik und Aktualität, kurzum zur Dynamik kaufmännischen Wissens in den Jahrzehnten um 1500 zu gewinnen. In exemplarischer Konzentration auf die hinsichtlich Zeitstellung, Umfang und Inhalt besonders aussagekräftige Handelspraktik von 1511 in ihrer vergleichenden Kontextualisierung wird damit ein wesentlicher Ausschnitt der Entwicklung kaufmännischen Wissens im Übergang vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit sichtbar gemacht.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Mitverantwortlich
Dr. Sven Rabeler