ProDisG: Professionalität im Fokus diskursanalytischer Auswertung von Gruppendiskussionen – Familialisierung als Moment differenter Vergeschlechtlichung pädagogischer Professionalität unter situativen und übersituativen Bedingungen der Äußerung. (Fortsetzungsprojekt zu Projekt NeO)
Allgemeine und Historische Erziehungswissenschaft
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Forschungsprojekt ProDisG schließt an das Projekt NeO an, in dem ausgehend von der Diskussion um „Mehr Männer“ in Erziehungs- und Bildungsberufe im Kontext arbeitsmarkt- und geschlechterpolitischer Entwicklungen empirisch danach gefragt wurde, wie sich dadurch pädagogische Professionskulturen verändern. Dazu wurden in NeO elf Gruppendiskussionen mit Fachkräften zwei unterschiedlicher pädagogischer Handlungsfelder (Kindertagesstätten und Sozialpädagogische Familienhilfe) geführt, die auch Grundlage der Analyse von ProDisG waren. Die empirische Untersuchung war als vergleichende qualitative Diskursanalyse angelegt und fokussierte Bezüge auf Eltern und Familie als Moment der Vergeschlechtlichung von pädagogischer Professionalität als Wissensordnung unter situativen und übersituativen Bedingungen der Äußerungen. Diese Bezüge geben Aufschluss darüber, wie Profession, Professionalität und Geschlecht als Gegenstände des Wissens in Erziehungs- und Bildungsberufen hervorgebracht werden. Dazu wurden erstmals und basierend auf dem in NeO entwickelten Analysemodell auch weitere Materialsorten als übersituative Bedingungen in die Rekonstruktion einbezogen. Hintergrund dieser Form der Analyse ist eine praxeologische Lesart der Diskursanalyse, die in NeO in eine methodologische Heuristik und in ein methodisch ausgearbeitetes Vorgehen bezogen auf Gruppendiskussionen überführt und nun angewendet wurde. Die Studie folgte dabei unter anderem neueren rekonstruktiven Ansätzen in der erziehungswissenschaftlichen Professionsforschung, die nach situierten Herstellungsweisen von Professionalität im Kontext von Differenzordnungen fragen. Auf diese Ansätze aufbauend wurde professionelles Handeln in ProDisG heuristisch als diskursive Konstruktion konstitutiver Herausforderungen, praktischer Handlungsprobleme und legitimer Formen des Umgangs mit Herausforderungen und Problemen als Gegenstände des Wissens unter spezifischen Bedingungen des Sprechens verstanden. Der analytische Blick richtet sich dadurch auf die Prozesse der diskursiven Hervorbringung von Konzeptionen professionellen Handelns und deren Verbindung mit Konstruktionen von Geschlecht oder anderen Differenzordnungen über den Bezug auf Familie und Elternschaft. Geschlecht wurde als diskursive Differenzkonstruktion verstanden, die historisch kontingent, sozial konstruiert und somit veränderbar ist. Geschlechtertheoretische Anschlüsse liegen in der (de)konstruktivistischen Frauen-, Geschlechter-, Queer- sowie Männlichkeitsforschung, denen gemeinsam ist, dass sie Geschlecht als Differenzkonstruktion und Macht-Wissen-Komplex behandeln. In dem untersuchten Material erwiesen sich Bezüge auf Familie und auf Geschlecht erwiesen als diskursive Figuren, die im Kontext von professionellem Handeln relevant gemacht wurden und zwar häufig entlang eines Rasters stereotyper Geschlechterrollen. Geschlecht wurde einerseits im Rahmen von Bezügen auf das Konzept des Kindeswohls im Sinne einer Passung zwischen Kind/Adressat*in und pädagogischer Fachkraft als relevant konstruiert und andererseits (insbesondere im SPFH-Kontext) als Faktor, der ein Arbeitsbündnis zwischen professionell Tätigen und Adressat*innen ermöglicht bzw. verhindert. Auch die eigene Elternschaft von pädagogischen Fachkräften wurde relevant gemacht und - geschlechtlich differenziert - entweder als zusätzliche Kompetenz konstruiert oder als Hindernis, das professionelles Handeln eher ausschließt. Anders als im Sprechen der Fachkräfte fand in den Konzeptpapieren eher eine De-Thematisierung von Geschlecht statt. Bei der Darstellung professionellen Handelns in den Konzepten wurde eine starke Adressat*innen-Zentrierung deutlich, welche in einer individualisierenden Logik die Adressat*innen mit einer hohen Verantwortung bzgl. ihrer Problemlagen, Lösungsstrategien und Verantwortlichkeiten bedachte. Dementsprechend wurden solche familiären Konstellationen als problematisch und veränderungsbedürftig konstruiert, denen die Fähigkeit zur Eigenständigkeit abgesprochen wurde. Unabhängigkeit und Autonomie - allerdings im Rahmen bestimmter, von öffentlicher Seite vorgenommener normativer Setzungen - schienen als Leitbilder auf. Die Studie hat grundlagentheoretisch herausgearbeitet, wie die Reproduktion und Transformation von Erziehungs- und Bildungsberufen als ‚gendered professions‘ gegenwärtig lokal situiert von statten geht, indem die Äußerungen in Gruppendiskussionen als Bestandteil einer (Neu-)Ordnung des Verhältnisses von Professionalität und Geschlecht untersucht wurden. Zusammenhänge mit veränderten bildungs- und sozialpolitischen Rationalitäten (z.B. verstärkter Aufmerksamkeit auf Eltern und Familien) in den jeweiligen Feldern wurden dabei herausgearbeitet. Das Projekt war im Bereich der erziehungswissenschaftlichen Professions- und Bildungsforschung angesiedelt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
(2018): Der Feldzugang als Möglichkeit und Herausforderung. In: Soziale Passagen 2018/2: 327-331
Hontschik, A./Sabla, K.-P.
-
(2019): (Neu-)Ordnungen von pädagogischer Professionalität und Geschlecht: Zur Vergeschlechtlichung von Professionalität im Kontext der Debatte um „mehr Männer“ in Erziehungs- und Bildungsberufen. In: neue praxis. Zeitschrift für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Sozialpolitik, 25 (3): 274–286
Susann Fegter, Anna Hontschik, Kim-Patrick Sabla, Maxine Saborowski
-
(2019): Bezüge auf Familie als Moment der Vergeschlechtlichung pädagogischer Professionalität: Diskursanalytische Perspektiven auf Äußerungen in Gruppendiskussionen mit Kita-Teams. In: Baar, R./Kampshoff, M./Hartmann, J. (Hrsg.): Geschlechterreflektierte Professionalisierung – Geschlecht und Professionalität (Jahrbuch Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft, Bd. 15). Opladen: Barbara Budrich, S. 135-152
Fegter, S./Hontschik, A./Kadar, E./Sabla, K.-P./Saborowski, M.
-
(2020): Professionalität und Geschlecht als diskursive Konstruktionen und Äußerungen (sozial)pädagogischer Fachkräfte - theoretische und methodologische Überlegungen im Kontext rekonstruktiver Professionsforschung. In: Rose, L./Schimpf, E. (Hrsg.): Sozialarbeitswissenschaftliche Geschlechterforschung. Opladen: Barbara Budrich, S. 151-164
Fegter, S./Sabla, K.-P.
-
(2020): Theoretische Modellierung einer empirischen Analyse von pädagogischer Professionalität und Geschlecht anhand von Äußerungen als iteratives Moment historischer Wissensordnungen. In: Fischer, D./Jergus, K./Puhr, K./Wrana, D. (Hrsg.): ‚Theoretische Empirie' – Erkenntnisproduktion zwischen Theoriebildung und empirischen Praxen. Wittenberger Gespräche VII: Halle-Wittenberg
Fegter, S./Saborowski, M.
-
(2020): Zur Reifizierungsproblematik von Geschlechterbinarität und Heteronormativität in Gruppendiskussionen. In: Kubandt, M./Schütz, J. (Hrsg.): Methoden und Methodologien in der erziehungswissenschaftlichen Geschlechterforschung. Opladen: Barbara Budrich, S. 216-234
Sabla, K.-P./Hontschik, A.
-
(2020): Äußerungen von Sprecher*innen in einer Gruppendiskussion. Überlegungen und Analysen aus unterschiedlichen diskurs- und subjektivierungstheoretischen Perspektiven. In: van Ackeren,I. et al. (Hrsg.): Bewegungen. Beiträge zum 26. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich, S. 83-97
Fegter, S./Geipel, K./Hontschik, A./Kleiner, B./Rothe, D./Sabla, K.- P./Saborowski, M.
-
(2021): „Ob so eine Mutti nochmal so super was reißen kann" - die Vereinbarkeit von Elternschaft und Beruf in sozialpädagogischen Handlungsfeldern als diskursive Konstruktion. In: Fegter, S./Langer, A./Thon, C. (Hrsg.): Diskursanalytische Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft. Opladen: Barbara Budrich, S. 137-151
Steinicke, K./Sabla-Dimitrov, K.-P.