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Neujustierung von Männlichkeiten. Auswirkungen der Transformation von Erwerbsarbeit und des Wandels von Geschlechterverhältnissen auf männliche Lebenslagen

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 280623772
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das industriegesellschaftliche Männlichkeitskonstrukt, welches Männlichkeit eng an Beruf und Karriere bindet und darauf basierend die Position des Mannes in der Familie als Ernährer und Oberhaupt definiert, ist nach wie vor als Orientierungsfolie präsent und wirksam. Gleichwohl werden weitreichende Irritationen hinsichtlich der Position des Mannes deutlich, sowohl in beruflichen als auch in familiären Kontexten. Zwar erfolgt männliche Selbstverortung immer noch gemäß den tradierten Vorgaben, ihr kommt aber die Fraglosigkeit abhanden, die gefestigte hegemoniale Positionen üblicherweise kennzeichnet. Zwar sind die von uns untersuchten Männer mehrheitlich weiterhin in Vollzeiterwerbsverhältnisse eingebunden und erwirtschaften zumindest den Hauptteil des Familieneinkommens. Diese faktische Kontinuierung tradierter Verhältnisse zwischen den Geschlechtern vermag aber nicht mehr jene habituelle Sicherheit zu vermitteln, die mit einer fraglos anerkannten privilegierten Position gewöhnlich einhergeht. Auffallend ist neben einer z.T. gegebenen faktischen Veränderung der tradierten Position des Mannes vor allem ein wachsender Zweifel an der Angemessenheit und gesellschaftlichen Akzeptanz der tradierten hegemonialen Männlichkeitskonstruktion. Die Unsicherheitserfahrungen sind nicht nur, aber auch auf einen (drohenden) Verlust von Privilegien und Macht bezogen. Dies zeigt sich in vielfältigen Relativierungen und Rechtfertigungen, welche die Diskursivierung und Reflexivierung von Männlichkeit auf der alltäglichen, lebensweltlichen Erfahrungsebene widerspiegeln. Den Männern ist bewusst, dass die Geschlechterordnung im Umbruch ist, dass sie „aufweicht“ und dies ihre Position innerhalb dieser Ordnung tangiert. Die Selbstverortung im Rahmen des industriegesellschaftlichen Männlichkeitskonstrukts ist daher von relativierenden Einschränkungen begleitet. Sie wird brüchig. Das heißt, wer sich an traditionellen Idealvorstellungen von Männlichkeit orientiert, muss diese auch als solche markieren. Man muss sagen, an welcher Stelle des Spektrums von Männlichkeit man sich befindet. Doch selbst Männern, die sich gegen das industriegesellschaftliche Männlichkeitskonzept positionieren und versuchen, sich den Anrufungen, hegemonialer Männlichkeit zu entziehen, steht kein positiver Gegenhorizont zur Verfügung, Männlichkeit komplett anders zu denken oder zu leben. Insofern zeichnet sich hier als zentrales Ergebnis des Projekts weniger eine Neujustierung von Männlichkeit als zunächst eine Zurückweisung des bisherigen Männlichkeitskonzepts ab. Allerdings gelingt auch diesen Männern die Zurückweisung in der alltäglichen Lebenspraxis nur partiell. Hegemoniale Männlichkeit fungiert somit weiterhin als ein dominantes Orientierungsmuster, zum einem dahingehend, dass es in der Mehrzahl der Fälle als solches sichtbar wird, zum anderen in dem Sinne, dass sich eine latente Wirksamkeit auch in den Fällen erweist, in denen es zurückgewiesen wird. Allerdings erfährt die fraglose Gegebenheit hegemonialer Männlichkeit eine gewisse Schwächung, in Gestalt von Relativierungen, Rechtfertigungen, Entschuldigungen usw. Die Orientierung am Muster der hegemonialen Männlichkeit vermag nicht mehr die habituelle Sicherheit zu vermitteln, die für industriegesellschaftliche Männlichkeitskonstruktionen typisch ist. Dies impliziert allerdings keinen weitreichenden Bedeutungsverlust hegemonialer Männlichkeit. Vielmehr sprechen die empirischen Befunde für Connells Verständnis hegemonialer Männlichkeit, demzufolge diese kein starres Gebilde ist, sondern eine historisch-gesellschaftlich variable Konfiguration vergeschlechtlichter Praktiken, die mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert ist und sich in Auseinandersetzung damit beständig neu formiert.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2017). Flexibilität und Reflexivität. Männlichkeiten im globalisierten Kapitalismus. In: Lenz, Ilse; Evertz, Sabine & Ressel, Saida (Hrsg.): Geschlecht im flexibilisierten Kapitalismus? Neue UnGleichheiten. Wiesbaden: Springer VS, S. 31-47
    Lengersdorf , Diana & Meuser, Michael
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-15348-9_3)
  • (2018): Männlichkeiten. Hegemonien, Grenzziehungen, Stabilisierungen. In: IZG OnZeit, S. 58–69
    Lengersdorf, Diana
    (Siehe online unter https://doi.org/10.4119/izgonzeit-1392)
  • (2019). Leistungsbereit und fürsorgend? Zum Konzept der Caring Masculinities. In: Scholz, Sylka & Heilmann, Andreas (Hrsg.): Caring Masculinities? Männlichkeiten in der Transformation kapitalistischer Wachstumsgesellschaften. München: oekom Verlag, S. 97-108
    Lengersdorf, Diana & Meuser, Michael
 
 

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