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Aktivierte Prozesse in dünnen Schichten und stabilen Gläsern

Antragsteller Dr. Julian Helfferich
Fachliche Zuordnung Statistische Physik, Nichtlineare Dynamik, Komplexe Systeme, Weiche und fluide Materie, Biologische Physik
Theoretische Physik der kondensierten Materie
Förderung Förderung von 2015 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 278287554
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der Begriff „Glas“ beschreibt in der Physik einen amorphen, d.h. nicht-kristallinen, Festkörper. Dies schließt das allgemein bekannte Fensterglas ein, aber auch Baumharz oder Plastik zählen zu den Gläsern. Gläser sind von enormer Relevanz für die technische Anwendung. Wichtige technische Fortschritte, die auf amorphen Festkörpern basieren sind zum Beispiel CDs oder Glasfaserleitungen. Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass ein Glas eine extrem langsam fließende Flüssigkeit sei. Dies ist nur insoweit korrekt, dass ein Glas auch unterhalb der Glastemperatur die ungeordnete Struktur der Flüssigkeit beibehält. Die Relaxationszeit wächst in der Nähe des Glasübergangs allerdings so stark, dass sich ein Glas weit unterhalb der Glastemperatur auf allen relevanten Zeitskalen wie ein Festkörper verhält. Aber auch, wenn ein Glas nicht „fließt“, zeigt es dennoch ein Alterungsverhalten. Das bedeutet, dass seine Eigenschaften sich über die Zeit langsam verändern. Somit hängen die Eigenschaften amorpher Festkörper von dem Prozess ab, der sie geformt hat: Unter anderem die Geschwindigkeit mit der sie abgekühlt wurden, sowie die Zeit die sie bereits im Glaszustand verbringen. 2007 endeckte eine Gruppe an der University of Wisconsin, dass amorphe Festkörper, die nicht durch einen Abkühlprozess hergestellt, sondern auf ein Substrat aufgedampft wurden – bei einer günstigen Substrattemperatur – eine enorm hohe kinetische und thermische Stabilität aufweisen können. Die Stabiltät dieser Gläser liegt so hoch, dass sie von einem gewöhnlichen Glas erst nach einer Alterungszeit von mehreren tausend Jahren erreicht werden könnte. Die Leitfrage meines Projektes war mit Hilfe numerischer Simulationen zu untersuchen, wie sich die makroskopische Stabilität in der mikroskopischen Dynamik widerspiegelt. In Kooperation mit Ivan Lyubimov, Daniel Reid und Juan J. de Pablo, konnten wir drei unterschiedliche Modellsysteme untersuchen: Ein einfaches Polymermodell, sowie eine binäre Mischung in 2 und 3 Dimensionen. Für alle drei Systeme konnten wir bestätigen, dass die erhöhte Stabilität mit einer stark verlangsamten Dynamik korreliert. Nun stellte sich uns die Frage, wie stark diese Korrelation ist. Um diese Frage zu beantworten, haben wir Systeme mit verschiedenen Protokollen erstellt (Aufdampfen, langsames Abkühlen, Altern), wobei wir die Prozessparameter so gewählt haben, dass das lokale Energieminimum jedes Systems bei der gleichen Energie liegt. Und interessanterweise zeigen diese Systeme alle die gleiche Dynamik. Dies ist besonders überraschend für das Polymermodell, denn beim aufgedampften System liegen die Polymerketten überwiegend parallel zum Substrat, während sie beim langsam abgekühlten System zufällig orientiert sind. Diese Beobachtung ist sehr relevant für weitere Studien, da sich das lokale Energieminimum sehr leicht bestimmen lässt, während für eine Untersuchung der Dynamik Simulationszeiten von mehreren Wochen oder Monaten benötigt werden. Obwohl die erhöhte Stabilität, die durch den Aufdampfprozess erreicht werden kann, für die technische Anwendung sehr relevant sein könnte, besteht das Problem, dass Polymere, eine wichtige Klasse von Glasformern, sich nur äußerst schwierig aufdampfen lassen. Deshalb haben wir die schichtweise Auftragung als Alternativprozess vorgeschlagen. Ähnlich wie beim Aufdampfen wächst der Film langsam, so dass auch eine höhere Stabilität erreicht werden kann. Allerdings ist der Einfluss des Lösungsmittels, das beim schichtweisen Auftragen dazu kommt, schwer abzuschätzen. Deshalb haben wir eine Proof-of-concept Simulation durchgeführt und konnten tatsächlich eine erhöhte Stabilität beobachten. Wir hoffen nun, dass dieses Ergebnis auch im Experiment bestätigt werden kann und somit für die Anwendung relevant wird.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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