'Machen' und 'Jagen'? Praktiken der Personalauswahl in Organisationen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Auswahl von Personal in Organisationen beruht nicht darauf, dass ein möglichst exaktes Verfahren die objektiv besten Kandidat*innen identifizieren könnte. Sie ist vielmehr als kommunikative Konstruktion der Passung von Person und Position zu verstehen: 'Machen', also das mehr oder weniger absichtsvolle 'Herstellen' der für eine Position am besten geeigneten Person und 'Jagen', also das gezielte Suchen nach einer möglichst passenden Person, werden in Prozessen der Personalauswahl kontinuierlich miteinander verbunden. Dabei werden unterschiedliche Verfahren, Akteure und Entscheidungsgelegenheiten integriert, und organisationale Bewertungen, Kommunikationen und Wissensbestände werden so aneinander angeschlossen, dass legitime Entscheidungen über die Auswahl einer Person oder das Ranking von Personen entstehen. Die Grundlage für diese Einschätzung bildet eine über vier Jahre hinweg durchgeführte ethnografische Studie in einem Geschäftsbereich eines multinationaler Mischkonzerns. Die erhobenen Feldprotokolle, Interviews und Dokumente wurden im Rahmen einer Grounded Theory-Strategie in einer Kombination von Grounded Theory, Inhaltsanalyse und wissenssoziologischer Hermeneutik ausgewertet ("Hermeneutische Grounded Theory", Kaufmann & Wilz 2019). Die Ergebnisse dieser Langzeit-Intensivfallstudie führen zu Weiterentwicklungen der Soziologie der Bewertung: Im Prozess der Personalauswahl sind nicht einzelne, situativ getroffene Bewertungen ausschlaggebend. Bewertungsmomente werden vielmehr in einem interaktiven und kommunikativen Prozess miteinander verkettet. (Vorläufige) Bewertungen der Kandidat*innen härten im Zeitverlauf und durch ihre Einbettung in den organisationalen Handlungs- und Sinnkontext. Entscheidungstheorie: In diese kommunikativen Prozesse der Bewertung und Sinnkonstitution sowie in die Praktiken des alltäglichen Arbeitens und Organisierens ist auch das Treffen von Entscheidungen eingebettet. Zur Entscheidung wird eine Kommunikation resp. Handlung dadurch, dass sie im Rahmen der organisational etablierten interpretativen Muster und Praktiken von den beteiligten Akteuren als Entscheidung interpretiert und Akteuren zugerechnet wird. Debatte um Kommunikation und Organisation: Organisationale Praktiken, Regeln und Wissensbestände werden kommunikativ hergestellt, kommunizierend vermittelt, und sie bilden den Rahmen für weitere Kommunikationen. Die Organisation wird dadurch fortlaufend (re)konstituiert, dass Kommunikationen im Rahmen ihrer lokalen Ordnung sinnhaft aneinander anschließen. Zentral ist dabei, dass die interpretativen Muster, auf die im Sinn generierenden Kommunizieren zurückgegriffen wird, über die Situation hinaus und quer zu unterschiedlichen organisationalen Prozessen Gültigkeit haben. Dies greift auch über die Grenzen der Organisation hinaus. Beobachtung des Feldzugangs: Der Feldzugang kann als 'Kommunikation im Zwischenraum' verstanden werden. Künftige Forschung soll das asymmetrisch vorstrukturierte Verhältnis von Organisation und Forscher*innen, das im Rahmen der kommunikativen Annäherung (des 'getting to') im Feldzugang deutlich wird, untersuchen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2018): E-Mails, Gespräche, Rankings und Meetings: Kommunikation und Wissen am Beispiel der Personalauswahl von Organisationen. In: Poferl, A./Pfadenhauer, M. (Hg.): Wissensrelationen. Weinheim: Beltz Juventa, 537–546
Wilz, S.
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(2019): Die Interpretation von Daten. Hermeneutische Wissenssoziologie und Grounded Theory als Methoden der Organisationsforschung. In: Hitzler, R./Reichertz, J./Schröer, N. (Hg.): Kritik der Hermeneutischen Wissenssoziologie. Weinheim: Beltz Juventa, 147–162
Kaufmann, M./Wilz, S.
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(2020): Ungewiss, uneindeutig und unscharf. Mediatisierte Situationen der Personalauswahl in sozialen Netzwerken. In: Dimbath, O./Pfadenhauer, M. (Hg.): Gewissheit. Weinheim: Beltz Juventa, 268–279
Kaufmann, M.
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(2020): Ungewissheit in der Personalbewertung. Rationalität, Transparenz und andere organisationale Geschichten. In: Dimbath, O./Pfadenhauer, M. (Hg.): Gewissheit. Weinheim: Beltz Juventa, 465–476
Dorn, C.
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(2020): ‘How do you Leave a Yakan House’? Der Feldausgang in der empirischen Organisationsforschung. In: Pfadenhauer, M./Scheibelhofer, E. (Hg.): Interpretative Sozial- und Organisationsforschung. Weinheim: Beltz Juventa, 288–303
Wilz, S.
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(2021): Personalauswahl als kommunikative Verkettung von Bewertungsmomenten. In: Meier, F./Peetz, T. (Hg.): Organisation und Bewertung. Wiesbaden: Springer VS, 193–216
Dorn, C./Wilz, S.
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(2021): „Wir haben uns für den Herrn Kluge entschieden.“ Kommunikationsmacht in Organisationen. In: Schröer, N. (Hg.): „Warum entfaltet kommunikatives Handeln auch ohne Gewalt und Herrschaft Macht?“ Frankfurt a. M.: Campus Verl., 147–165
Wilz, S.