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Mollesses: Schwächen und Verweichlichung des Männlichen (15.-17. Jh.)
Antragsteller
Professor Dr. Daniele Maira
Fachliche Zuordnung
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Frühneuzeitliche Geschichte
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung
Förderung von 2015 bis 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 277571712
Als Form der Tapferkeit in der Renaissance vereint die Virilität (vir, vom lat. vis, oder virtus nach Cicero, Tusculanae disputationes, II.18) eine polymorphe Ansammlung physischer, ethischer und rhetorischer Anforderungen, die sich nicht nur durch einen kräftigen Körperbau, sondern auch durch Mut, militärische Heldenhaftigkeit, Ehrgefühl und sexuelle Potenz ausdrückt. Ergänzt wird dieses Modell einer idealen Männlichkeit durch die aristotelische Besonnenheit (sophrosyne, in der Nikomachischen Ethik): jede Form des Exzesses wird zurückgewiesen. Die Nichterfüllung der männlichen Ideale wird hier ebenso als Normabweichung empfunden wie eine übertrieben ausgelebte Virilität.Die Betrachtungen einer normativen Männlichkeit, gespeist aus den Gender, Queer und Masculinity Studies, hat die Forschungen zur französischen Literatur und Kultur der Renaissance bereits angereichert, jedoch wurde dabei dem Konzept der „failure“, der Verfehlung festgelegter normativer Modelle, bisher wenig Beachtung geschenkt. Die mollesse als Form der Weichheit stellt einen zentralen Aspekt dieser unzureichenden, marginalisierten Männlichkeiten dar und durchzieht die gesamte Kultur und Literatur des 15. Und 16. Jahrhunderts. Aufgrund einer falschen Etymologie mit einer Form der Weiblichkeit gleichgesetzt (mollitia soll sich hier von mulier über mollior ableiten lassen [Lactantius, De opificio Dei, XII, 17/ Isidor von Sevilla, Etymologies, XI, 2.18]), wird die mollesse als Ausgangspunkt einer neuen, weiblichen Form der Männlichkeit gesehen, die mit den normativen Idealen der Virilität bricht.Ausgehend von Forschungen zur historischen Rhetorik, zur Kulturgeschichte und den Masculinity Studies, ließen sich drei Gegenstandsbereiche ausarbeiten, anhand derer sich eine solche verfehlte Männlichkeit, sowie die paradoxe Aufwertung dieses Mangelzustandes beleuchten lassen. Die drei Forschungsjahre und die internationale Tagung haben gezeigt, dass neben Montaigne eine Vielzahl weiterer relevanter Autoren anhand des transversalen Konzept der mollesse unterschiedliche Formen der Männlichkeit reflektieren und neu definieren. Ein neuer Themenbereich soll sich anhand der Werke Erasmus‘, Rabelais‘ und Montaignes der humanistischen Perspektive unzureichender Männlichkeit widmen. Auf diese Weise ermöglicht ein Zusammenspiel der vier Themenbereiche präzise Betrachtungen des Begriffes der mollesse aus verschiedenen Blickwinkeln zusammenzuführen und eine diachrone Entwicklung normativer und alternativer Männlichkeitskonzepte nachzuzeichnen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen