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Diversität, Macht und Gerechtigkeit. Transkulturelle Perspektiven

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Praktische Philosophie
Förderung Förderung von 2015 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 276062266
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Teilprojekt „Gerechtigkeit und Okzidentalismuskritik in der zeitgenössischen politischen Theorie im Maghreb“ untersuchte anhand der Werke von Fatima Mernissi (1940-2015) und Mohammed Arkoun (1929-2010) wesentliche Strukturmerkmale der zeitgenössischen Postkolonialen Theorie im Maghreb. Der Islam dient als ambivalenter Bezugspunkt beider AutorInnen, dessen Textkorpus kritisch-dekonstruktiv neu gelesen und der an gegenwärtige Herausforderungen und Lebensbedingungen angepasst werden soll. Die doppelte Kritik seitens der hier analysierten AutorInnen wendet sich sowohl gegen patriarchale und autokratische Strukturen in der arabischen Welt als auch gegen okzidentale Stereotype der westlichen Episteme, beispielweise in Bezug auf die Schleierthematik. Als Material für die interpretative Auseinandersetzung dient die arabisch-islamische Philosophie des Mittelalters und der religiöse Textkorpus (Koran und Hadith). Gerechtigkeitstheoretisch war bei beiden DenkerInnen deutlich zu erkennen, dass sie eine kontextsensitive Artikulation normativer Theorie anstreben, welche an die religiösen und kulturellen Diskurse in der arabischen Welt anschließt. Sie fordern in ihren Werken politische Mitbestimmung, die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Überwindung von sozialen Spaltungen (national und transnational) und die Emanzipation menschlicher Vernunft von einer religiösen Dogmatik. Damit verkörpern beide AutorInnen die theoriestrategische Möglichkeit, moderne Theoreme von Gleichberechtigung und Emanzipation aus dem Islam heraus zu begründen und Alternativen zum westlichen Emanzipationsdiskurs zu entwickeln. Als zentrales Desiderat innerhalb der zeitgenössischen Postkolonialen Theorie im Maghreb sticht zudem die Forderung nach epistemischer Gerechtigkeit hervor; eine Meta-Norm im Hinblick auf die Entwicklung von Normen, die dem eigenen soziopolitischen Kontext Rechnung tragen. Das Projekt identifizierte u. a. folgende Elemente als charakteristisch für den analysierten Diskurs: die Anwendung poststrukturalistischer Methoden, die kritische Bezugnahme auf die arabische Philosophie des Mittelalters und die religiösen Schriften des Islams, der transkulturelle Blick auf die Verwobenheit kultureller Traditionslinien, die Kritik am dogmatischen Islam und Orientalismen im Westen sowie das Plädoyer für einen Horizont des Universellen jenseits der Umma (Gemeinschaft Gläubiger). Als Methodik hat sich die transkulturelle Hermeneutik als Strategie der Übersetzung zwischen einzelnen Grammatiken der Kritik als äußerst fruchtbar erwiesen. Eine wesentliche Herausforderung für die Projektteilnehmer bestand darin, aus dem transdisziplinär und transversal (zwischen Wissenschaft und Politik vermittelnd) angelegten Textkorpus die häufig nicht explizit benannten normativen Aussagen herauszufiltern und sie mit einer (auf Rechtfertigung und Begründung fokussierten) liberalen Gerechtigkeitssemantik vergleichend zu erschließen. In einem internationalen Symposium konnten die Forschungsergebnisse einer Fachöffentlichkeit präsentiert werden. Zentrale Ergebnisse des Symposiums werden in einer Sonderausgabe der „Deutschen Zeitschrift für Philosophie“ (2020) publiziert und sind bereits einer breiteren Öffentlichkeit im Rahmen eines Interviews mit dem Deutschlandradio Kultur bekannt gemacht worden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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