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Identifizierung hinderlicher Faktoren beim diagnostischen Prozess somatoformer Störungen in der Hausarztpraxis

Fachliche Zuordnung Public Health, Gesundheitsbezogene Versorgungsforschung, Sozial- und Arbeitsmedizin
Förderung Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 276028312
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ausgangsfragen und Zielsetzung des Projekts: In Bezug auf die Erkennung, Diagnose und Behandlung von Patientinnen und Patienten mit anhaltenden, unklaren und belastenden Körperbeschwerden und somatoformen Störungen werden regelmäßig (große) Schwierigkeiten berichtet. Das Konzept der somatoformen Störungen ist heterogen und war im Laufe der letzten Jahrzehnte verschiedenen Veränderungen, zuletzt der Umwandlung in die „somatic symptom disorder“ (SSD, DSM 5), d. h. der Abschaffung der Ausschlussdiagnose und Fokussierung auf psychologische Positivkriterien, unterworfen. Vor unserem Projekt fehlten (deutsche) Studien, die sich mittels unterschiedlicher (qualitativer und quantitativer) Methoden diesen Problemen und der Bedeutung der aktuellen Veränderungen für die hausärztliche Versorgung mit dem Ziel Erkenntnisse zur Verbesserung der Lage der Betroffenen und ihrer hausärztlichen Behandlerinnen und Behandler zu generieren, näherten. Methoden: Die Fragestellungen wurden in einem sequentiellen explorativen Mixed Methods-Design, das die Durchführung von Fokusgruppen mit Hausärztinnen und Hausärzten, Interviews mit Patientinnen und Patienten und ihren Hausärztinnen und Hausärzten, und einem repräsentativen Survey mit Hausärztinnen und Hausärzten aus acht deutschen Bundesländern umfasste, untersucht. Die qualitativen Daten wurden inhaltsanalytisch, die quantitativen Daten deskriptiv und inferenzstatistisch ausgewertet. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Die angemessene Entlohnung des (zeitlichen) Mehraufwands der Hausärztinnen/Hausärzte und eine Stärkung ihrer koordinierenden Funktion in der Gesundheitsversorgung könnte den Umgang mit den betroffenen Patientinnen und Patienten und somit auch die Diagnose anhaltender, unklarer und belastender Körperbeschwerden und somatoformer Erkrankungen erleichtern und Leidenswege unter Umständen verkürzen. Ein stärkerer Ausbildungs-Fokus auf die psychosoziale Medizin und die Betonung belohnender Aspekte der Arbeit mit den betroffenen Patientinnen und Patienten könnte es den Hausärztinnen und Hausärzten erleichtern, die Konsultationen mit den Betroffenen als weniger beschwerlich zu empfinden und mit den Betroffenen eine gemeinsame (Behandlungs-) Basis zu finden. Jedoch brauchen nicht nur die Hausärztinnen und Hausärzte Unterstützung, auch die Betroffenen dürfen nicht vergessen werden. Erfahrene Patientinnen/Patienten könnten zusammen mit einem Angehörigen der Gesundheitsberufe Betroffenen-Gruppen in vielen Punkten unterstützen: Überdenken der eigenen Krankheitserfahrungen, Austausch unter Betroffenen, Bewältigung der Einschränkungen und Akzeptanz psychosomatischer Verursacher. Auch die angemessene Nutzung von medizinischen Versorgungsangeboten und die Aktivierung eigener Ressourcen kann so gefördert werden. Interventionen zur Überwindung der Barrieren und Nutzung potentieller Ressourcen im Prozess müssen bei allen Beteiligten ansetzen. Denkbar sind Maßnahmen, die Patientinnen und Patienten über das Krankheitsbild und dessen Handling informieren, Hausärztinnen und Hausärzten die Umsetzung von Leitlinien erleichtern und das noch ungenutzte Unterstützungs-Potential anderer Gesundheitsfachkräfte ausschöpfen. Mit Einführung des ICD 11 müssen die Hausärztinnen und Hausärzte bei der Umstellung ihres diagnostischen Denkens weg von der Ausschlussdiagnose und hin zu psychologischen Positivkriterien unterstützt werden. Ob dies möglicherweise zu einer zeitnäheren Einleitung passenderer Behandlungsmaßnahmen führt, muss geprüft werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Diagnostic barriers for somatic symptom disorders in primary care: study protocol for a mixed methods study in Germany. BMJ Open. 2017;7(8):e014157
    Heinbokel C, Lehmann M, Pohontsch N, Zimmermann T, Althaus A, Scherer M, Löwe B
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1136/bmjopen-2016-014157)
  • Schwierigkeiten bei der Erkennung und Behandlung von Patienten mit somatoformen Störungen – Eine qualitative Fokusgruppen-Studie mit HausärztInnen. DEGAM 2016; Abstractband S. 165
    Pohontsch N, Zimmermann T, Löwe B, Heinbokel C, Lehmann M, Scherer M
  • Barrieren der Diagnose somatoformer Störungen in der Hausarztpraxis – Ergebnisse eines deutschlandweiten repräsentativen Surveys. DKPM/DGPM 2018
    Lehmann M, Rustige LMD, Pohontsch NJ, Zimmermann T, Kurz K, Scherer M, Löwe B
  • Barriers to diagnosis and treatment of persistent and burdensome somatic symptoms in primary care – Results from qualitative interviews with patients and their general practitioners. EAPM 2018
    Lehmann M, Pohontsch NJ, Rustige LMD, Kurz K, Zimmermann T, Löwe B, Scherer M
  • Coding of medically unexplained symptoms and somatoform disorders by general practitioners - an exploratory focus group study. BMC Fam Pract. 2018;19(1):129
    Pohontsch N, Zimmermann T, Jonas C, Lehmann M, Löwe B, Scherer M
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1186/s12875-018-0812-8)
  • Die Kodierung von somatoformen Störungen in Hausarztpraxen – Entwicklung und Ergebnisse eines repräsentativen Surveys (explorative Mixed Methods-Studie). DEGAM 2018
    Pohontsch N, Zimmermann T, Rustige L, Kurz K, Lehmann M, Löwe B, Scherer M
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3205/18degam159)
  • Hausärztliche Perspektive auf die neue DSM-5 Diagnose der somatischen Belastungsstörung – Qualitative Analyse von Interviewdaten mit Hausärzten und Hausärztinnen. DKPM/DGPM 2018
    Rustige LMD, Lehmann M, Pohontsch NJ, Zimmermann T, Kurz K, Scherer M, Löwe B
  • Herausforderungen im Diagnose- und Behandlungsprozess von anhaltenden, unklaren und belastenden Körperbeschwerden in der Hausarztpraxis aus der Sicht von PatientInnen und ihren HausärztInnen. DKVF 2018
    Pohontsch N, Lehmann M, Rustige L, Kurz K, Zimmermann T, Scherer M, Löwe B
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3205/18DKVF169)
 
 

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