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Unternehmen Heilung: Das Phänomen der ärztlichen Hinwendung zu komplementären und alternativen Heilverfahren - Motive und Perspektiven im Spannungsfeld von Ökonomie und ärztlichem Selbstverständnis

Fachliche Zuordnung Accounting und Finance
Förderung Förderung von 2008 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 27357230
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Wissenschaftliche Studien zu komplementären und alternativen Heilverfahren (CAM) thematisieren meist die klinische Wirksamkeit dieser Maßnahmen oder die Inanspruchnahme durch Patienten. Relativ wenig bekannt ist bislang zu Ausmaß, Spektrum und v.a. Gründen des ärztlichen Angebots an CAM. Dies erscheint wichtig, um die Relevanz von CAM in der ärztlichen Versorgung nachvollziehen zu können. Mit einem standardisierten Fragebogen wurden angebotene komplementäre und alternative Heilverfahren, Motive für das Angebot, Meinung zum Umgang mit anderen CAM-Anbietern (Heilpraktikern) sowie Praxischarakteristika abgefragt. Der Fragebogen war in einer explorativen Vorstudie mittels qualitativer Interviews entwickelt worden und wurde postalisch an 2396 Vertragsärzte aller Fachrichtungen in 9 ausgewählten Landkreisen in Deutschland verschickt. 553 Fragebögen (23%) wurden ausgewertet. 63% (n=350) der befragten Ärzte wenden CAM bei ihrer Praxistätigkeit an; meist werden Akupunktur/Traditionelle Chinesische Medizin, Phytotherapie oder Homöopathie angeboten. Mit 90% setzen Orthopäden CAM am häufigsten ein. Ärztinnen bieten CAM häufiger an als Ärzte (72% vs. 56%, p<0,001). Die Anreize und Motive für ein CAM-Angebot sind vielfältig; angegeben wurden: Überzeugung von der Wirksamkeit (98%), Ausdruck für Therapiefreiheit (78%), Nebenwirkungsarmut (76%), Hoffnung für „austherapierte" Patienten (75%). Auch eine Verbesserung des Arzt-Patienten-Verhältnisses spielt eine Rolle (46%). Lediglich 27% Prozent der CAM-Ärzte begründen den Einsatz dieser Verfahren mit finanziellen Vorteilen. CAM scheinen in Deutschland ein fester Bestandteil des ambulanten ärztlichen Angebots zu sein. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass komplementäre oder alternative Heilverfahren nicht primär aus finanziellen Gründen eingesetzt werden, sondern vielmehr Ausdruck der ärztlichen Therapiefreiheit sind. Niedergelassene nehmen CAM als eine von verschiedenen Behandlungsoptionen wahr und wenden diese an, wenn sie von deren Wirksamkeit überzeugt sind und damit gleichzeitig im Einklang mit Patientenwünschen handeln. Aufgrund der Rücklaufquote von 23% kann die Häufigkeit des CAM-Angebots überschätzt worden sein.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Geld oder Glaube? Warum Schulmediziner alternative Heilverfahren anbieten, in: Becker R, Sertel S, Stassen-Rapp I, Walburg I (Hrsg), „Neue" Wege in der Medizin. Alternativmedizin - Fluch oder Segen?, Universitätsverlag Winter, Herdelberg 2010, S. 187- 202
    Thanner M
  • Therapieentscheidungen niedergelassener Ärzte zwischen Ökonomie und beruflichem Selbstverständnis - Eine empirische Untersuchung am Beispiel komplementär- und alternativmedizinischer Angebote vor dem Hintergrund eines wachsenden Marktes an Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), Schriften zur Gesundheitsökonomie, Band 67, Hrsg. Knappe E, Nagel E, Neubauer G, Oberender P, Ulrich V, P.C.O. Verlag, Bayreuth 2010
    Thanner M
  • Möglichkeiten und Grenzen einer Zusammenarbeit mit Heilpraktikern aus ärztlicher Sicht, in: Forsch Komplementmed (Forschende Komplementärmedizin) 2013, Jg. 20 (Heft 1): S. 23-32
    Thanner M, Nagel E, Loss J
 
 

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