Wie kann das Lernen aus einführenden instruktionalen Erklärungen im Fach Chemie durch spezifische Relevanzinstruktionen gefördert werden?
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Zur Einführung in neue Inhalte (z. B. neue Konzepte) erhalten Lernende oftmals instruktionale Erklärungen. Aufgebaut sind einführende Erklärungen häufig derart, dass zunächst in einem Grundlagenteil neue Konzepte in abstrakter Form dargelegt werden, worauf ein Beispielteil folgt, in dem die neuen Konzepte mittels konkreter Beispiele veranschaulicht werden. Ein probates Mittel, um eine lernförderliche Verarbeitung von einführenden Erklärungen anzuregen, sind spezifische Relevanzinstruktionen (andere geläufige Bezeichnungen hierfür sind Leitfragen oder Prompts). Im Speziellen hatten sich vor Projektbeginn insbesondere zwei Arten von spezifischen Relevanzinstruktionen als förderlich für den Lernerfolg erwiesen: (a) grundlagenfokussierende und (b) rückbezugfokussierende Relevanzinstruktionen. Grundlagenfokussierende Relevanzinstruktionen zielen darauf ab, dass die Lernenden die im Grundlagenteil dargelegten abstrakten Konzepte und Prinzipien organisieren und elaborieren, während rückbezugfokussierende Relevanzinstruktionen Lernende zum Herstellen von Bezügen zwischen den dargelegten Beispielen und den im Grundlagenteil dargelegten abstrakten Inhalten (Beispiel-Grundlagen Rückbezüge) anregen sollen. Diese beiden Arten von spezifischen Relevanzinstruktionen waren allerdings bisher nicht gemeinsam betrachtet worden; in der gemeinsamen Betrachtung der Effekte dieser beiden Arten von spezifischen Relevanzinstruktionen bestand daher ein zentrales Ziel des Projekts. Das zweite zentrale Projektziel war es, die Rolle von Abrufübung für die Effekte rückbezugfokussierender Relevanzinstruktionen zu beleuchten. In der bisherigen Forschung wurden überwiegend abrufbasierte Beispiel-Grundlagen Rückbezüge angeregt. Die Lernenden konnten also in der Regel während des Erstellens der Rückbezüge nicht mehr auf den Grundlagenteil der Erklärungen zugreifen und mussten die Grundlagen demnach hierzu aus dem Gedächtnis abrufen. Ob dies jedoch für den Lernerfolg unbedingt zuträglich ist, wurde bislang nicht untersucht. Ein Grund daran zu zweifeln ist, dass die Qualität der hergestellten Beispiel-Grundlagen Rückbezüge substantiell darunter leiden könnte, dass die Lernenden nicht mehr auf den Grundlagenteil der Erklärungen zugreifen können, da die Lernenden unter Umständen die Grundlagen nicht vollständig erinnern. Vor diesem Hintergrund wurden in dem Projekt insgesamt vier 2×2-faktorielle Experimente mit Gymnasialschüler/innen der achten Jahrgangsstufe durchgeführt. Die ersten beiden Experimente bezogen sich auf die gemeinsame Betrachtung der Effekte grundlagenfokussierender und rückbezugfokussierender Relevanzinstruktionen. Als zentrale Ergebnisse fanden wir, dass sich die Gabe grundlagenfokussierender Relevanzinstruktionen förderlich auf die Leistung bei Transferaufgaben auswirkte, die sowohl ein Verständnis der Grundlagen als auch ein Verständnis der Anwendung der Lerninhalte erforderten. Dieser Effekt wurde durch ein erhöhtes Ausmaß an kognitiven Verarbeitungsprozessen in Bezug auf den Grundlagenteil der einführenden Erklärungen vermittelt. Für die rückbezugfokussierenden Relevanzinstruktionen fanden wir überraschenderweise, mit Ausnahme eines geringen förderlichen Effekts auf die Leistung bei Aufgaben, die identisch zu den rückbezugfokussierenden Relevanzinstruktionen waren, keine förderlichen Effekte. Die zwei weiteren Experimente waren mit der Rolle von Abrufübung für die Effekte rückbezugfokussierender Relevanzinstruktionen befasst. Wir fanden keinerlei förderliche Effekte für die Anregung abrufbasierter Beispiel-Grundlagen Rückbezüge; in Bezug auf die Leistung in einem unmittelbar an die Lernphase anschließenden Lernerfolgstest erwies sich die Anregung abrufbasierter Beispiel-Grundlagen Rückbezüge sogar als abträglich. Allerdings zeigte sich, dass dieser abträgliche Effekt durch die zusätzliche Gabe von grundlagenfokussierenden Relevanzinstruktionen abgemildert werden konnte. Zudem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass ein längeres Behaltensintervall (in den vorliegenden Experimenten: eine Woche) möglicherweise förderliche Effekte abrufbasiert erstellter Beispiel-Grundlagen Rückbezüge zu Tage gefördert hätte. Insgesamt unterstreichen die Experimente die zentrale Rolle der Gabe grundlagenfokussierender Relevanzinstruktionen beim Lernen aus einführenden Erklärungen. Zudem unterstreichen sie den Bedarf an Folgeuntersuchungen, die sich vertiefend mit den Effekten von Abrufübung bzw. der Integration von Abrufübung in Lernaufgaben wie beispielsweise spezifischen Relevanzinstruktionen auseinandersetzen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2017). Example-based learning: The benefits of prompting organization before providing examples. Learning and Instruction, 49, 1–12
Roelle, J., Hiller, S., Berthold, K., & Rumann, S.
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(2017, September). Beispielbasiertes Lernen: Der Nutzen von Closed-Book Selbsterklärungsprompts. In J. Roelle & T. Endres (Chair), Alles auf Abruf? Der Nutzen von Gedächtnisabruf beim Lernen komplexer Inhalte. Arbeitsgruppe auf der Gemeinsamen Tagung der Fachgruppen Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie (PAEPSY), Münster, Deutschland
Hiller, S., Rumann, S., Berthold, K., & Roelle, J.
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(2017, September). Fostering learning from examples by prompting organization processes. In J. Roelle (Chair), How to optimize example-based learning? Symposium presentation at the 17th Biennial Conference of the European Association for Research on Learning and Instruction (EARLI), Tampere, Finland
Hiller, S., Roelle, J., Berthold, K., & Rumann, S.